Geschichte machen: Roman (German Edition)
kann er mir nicht einfach in die Hand drücken, was ich weiterleiten soll, und damit basta? Warum muß er jedesmal dieses Schmierentheater aufführen?
»Ach«, sagte Josef und hielt einen Umschlag hoch, bevor er ihn in Hans’ Tasche schob. »Das könnte dich interessieren. Geht, glaub ich, um einen Freund von dir.«
»Wen denn?«
»Gloder oder so ähnlich. Habt ihr einen Hauptmann Rudolf Gloder?«
»Rudi? Was ist mit dem?«
»Ach, für dich Rudi, ja? Wir reden unsere Vorgesetzten also beim Vornamen an. Vielleicht sollte ich General Buchner ein diesbezügliches Memorandum schicken. Er ist auf denBolschewismus unter niederen Diensträngen gar nicht gut zu sprechen.«
Hans schloß die Augen. »Was ist mit Hauptmann Gloder, Josef?«
»Ja, das möchtest du gerne wissen, was?«
Ohne die Augen zu öffnen, holte Mend tief Luft. »Ja, Josef«, sagte er und riß sich zusammen, »das möchte ich gern wissen.« Herrgott, waren diese Leute kindisch.
»Nun, rein zufällig ist eine Empfehlung berücksichtigt worden. Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse.«
Hans mußte seiner Begeisterung Luft machen. »Herrlich«, rief er. »Wurde auch Zeit. Das hätte er schon längst kriegen müssen.«
»Na, da freut sich aber einer.«
»Das ist eine gute Nachricht, Kreiß, das ist alles. Ru… Hauptmann Gloder hat diese Auszeichnung
verdient
. Ohne ihn wäre unser Regiment schon vor Monaten, ach was: vor Jahren auseinandergebrochen. Es sollte mich nicht wundern, wenn er noch vor Kriegsende zum Major befördert wird. Weißt du, er hat genau wie ich als stinknormaler Landser angefangen.«
»Tja, so was gibt’s auch nur im Krieg. Da schwimmt der Abschaum oben.«
»
Sahne
schwimmt oben«, sagte Hans. »Er stammt aus einer vornehmen Familie, er hätte als Offizier in den Krieg ziehen können, aber das hat er ausgeschlagen.«
»Viele Leute haben Freunde an den richtigen Stellen«, sagte Kreiß. »Ist doch ’n alter Hut.«
»Er hat überall Freunde«, versetzte Hans. »Was man von anderen nicht gerade behaupten kann.«
»Wie ich sehe, muß dieser Gloder ein wahrer Ausbund an Tugend sein. Du frißt ihm ja schon aus der Hand.«
Hans beugte sich tief über den Lenker, und während ihm der Dreck gegen die Schutzbrille flog, überlegte er, welche Folgendie frohe Botschaft wohl hätte. Rudi würde anläßlich seiner Auszeichnung garantiert ein großes Fest geben. Vielleicht ein Essen in irgendeinem erstklassigen Restaurant hinter der Front, vielleicht sogar im
Coq d’Or
. Er stellte sich die Kapelle vor, die exzellenten Weine, die Fröhlichkeit und echte deutsche Kameradschaft. Für Gloder war es nicht unter seiner Würde, Offiziere und Gemeine an denselben Tisch zu bitten. Und später würde es Mädchen geben, Edelhuren ohne Syphilis.
Hans hielt beim
Fermier
, lehnte sein Motorrad gegen die Mauer der Stallungen und eilte ins Haus.
Momentan war Gloder der Adjutant Major Eckerts vom Sechsten Fränkischen und hatte Hans erzählt, daß diese Versetzung ihm überhaupt nicht in den Kram paßte.
»Ich laß mir nicht gern den Spaß entgehen«, hatte er gesagt, als er sich plötzlich in Oberst Baligands Hauptquartier, einem kleinen Bauernhof einen Kilometer hinter der Front, wiederfand. »Eckerts Vorstellung vom Krieg beschränkt sich darauf, dem Generalstab in den Arsch zu kriechen und den Frieden herbeizuflehen. Ich tue, was ich kann, um ihm Beine zu machen, aber ich bin Soldat. Ich gehöre an die Front.«
Hans gab dem Adjutanten des Obersten ein Depeschenbündel, wartete ungeduldig auf die Papiere, die er mitnehmen sollte, und lief dann aufgeregt wie ein Kind am Heiligabend die Treppe zum ersten Stock hoch, wo Major Eckerts Stab Büros und Quartiere bezogen hatte.
Oben angelangt, blieb er stehen und strich seine Uniform glatt. Er würde ganz gleichmütig bleiben. »Guten Tag, Hauptmann Gloder«, würde er lässig sagen, »nichts Interessantes dabei, fürchte ich. Bloß ein Wisch aus dem Hauptquartier. Wahrscheinlich dürfen wir den Eseleintopf ab sofort nicht mehr mit Paprika würzen oder sollen uns zu Ehren des Geburtstags der Kaiserin doppelt so sorgfältig den Hintern abwischen.«
Daraufhin würde Rudi lächeln, den Brief nehmen und öffnen. Er würde ihn durchlesen, zu Hans aufsehen, der wie einBreitmaulfrosch grinste, laut auflachen und seinen ältesten Cognac holen.
Hans ließ die Tür zu Major Eckerts Büro hinter sich und drückte die Tasche an die Brust, bis er das Ende des Flurs erreichte und vor einer Tür aus
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