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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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meine Karte sein.«
    »Ganz wie Sie meinen. Was sehen Sie in der Brieftasche sonst noch?«
    »Eine Art Personalausweis und einen Führerschein.«
    »Aha, einen Führerschein. Hat er ein Photo?«
    »Meins. Das bin ich, aber ich schwöre Ihnen, auch das hab ich noch nie gesehen.«
    »Verstehe. Lassen Sie sich Zeit, und sehen Sie ihn sich genau an. Welcher Staat hat ihn ausgestellt?«
    Ich betrachtete verwirrt den Führerschein. »Da steht
State of Connecticut
. Meinen Sie das?«
    »Und woran denken Sie, wenn Sie ›Connecticut‹ sagen, Mike? Was fällt Ihnen dabei ein?«
    »Ähm … Paul Revere?«
    »Paul Revere. Gut. Erzählen Sie mir alles, was Sie über Paul Revere wissen.«
    »Der Mitternachtsritt?«
    »Mitternachtsritt, klasse. Weiter.«
    »Er ist von Lexington nach Concord geritten. Oder von Concord nach Lexington, das kann ich mir nie merken. Er hat geschrien ›die Briten kommen, die Briten kommen!‹ Mehr weiß ich nicht. Das ist einfach nicht mein Gebiet, wissen Sie.«
    Das ist einfach nicht mein Gebiet!
    In meinem Gedächtnis rührte sich etwas, eine Erinnerung raschelte, huschte aber davon wie eine verschreckte Feldmaus, als ich darauf zuging.
    »Prima. Sie machen sich prima. Und? Was sehen Sie sonst noch?«
    »Hier steckt noch eine Karte. Da steht ebenfalls mein Name drauf. Und dieses griechische Symbol, na, der Stab mit den verschlungenen Schlangen … wie heißt der noch mal?«
    Ballinger zuckte die Schultern. »Das möchte ich von Ihnen hören, Mike.«
    »Kaduzeus! Das ist der Kaduzeus, der Äskulapstab. Sehen Sie? Warum kenne ich ein Wort wie ›Kaduzeus‹, aber kann mich nicht erinnern, wer ich bin?«
    »Nun mal langsam, nichts übers Knie brechen. Was glauben Sie, wofür die Karte da ist?«
    »Keine Ahnung. Der Kaduzeus ist ein medizinisches Symbol, oder? Ist das eine Karte vom National Health Service?«
    »Was ist der National Health Service, Michael?«
    Ich starrte ihn an. »Woher soll ich denn das wissen? Das ist mir eben so eingefallen. Wissen
Sie
es denn nicht?«
    »Das ist Ihre Krankenversicherungskarte, Michael.«
    »Aber ich bin nicht privatversichert.«
    »Wie bitte?«
    »Ich … ich habe keine Zusatzversicherung. Ich bin über den NHS versichert, ganz bestimmt.«
    Ballinger sah mich ausdruckslos an. »Wollen Sie mir womöglich vorspielen, Sie hätten eine Schraube locker, Michael? Das frage ich mich langsam. Probleme zu Hause? Oder mit einem Mädchen? Wächst Ihnen die Arbeit über den Kopf, haben Sie Prüfungsangst?«
    »Vorspielen? Um Himmels willen, warum sollte ich Ihnen etwas vorspielen?«
    »Ich frage ja nur, Mike. Und jetzt verraten Sie mir mal, was es mit diesem ›National Health Service‹ auf sich hat.«
    Ich breitete verzweifelt die Arme aus. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Aber es bedeutet
irgend
etwas, da gehe ich jede Wette ein.«
    »Verstehe. Und können Sie sich denken, wem diese Karte gehört?«
    Ich sah sie niedergeschlagen an. »Mir, nehm ich an. Sie muß ja mir gehören.« Ich kniff die Augen zusammen. »Wenn ich mich bloß erinnern könnte …«
    »Nicht mit Gewalt. Sie können Ihre Brieftasche jetzt hinlegen. Vielleicht kommen wir ja weiter, wenn Sie mir etwas erzählen,
woran
Sie sich erinnern.«
    Seiner Stimme war anzumerken, daß er improvisierte. Er hatte zum erstenmal mit einem solchen Fall zu tun, tappte im dunkeln und stellte seine Fragen aufs Geratewohl. Er war genauso verwirrt wie ich. Außerdem war er offensichtlich ungehalten, weil keiner seiner Versuche, meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, mich aus meiner Phantasiewelt zurückzuholen oder als Simulant zu überführen, von Erfolg gekrönt war.
    »Was ist mit mir los, Doktor?«
    »Brrr, immer eins nach dem anderen. Beantworten Sie mir erst meine Frage. Woran können Sie sich definitiv erinnern?«
    »Also, ich weiß, daß mir gestern abend schlecht geworden ist. Ich hab mir den Kopf an einer Mauer gestoßen. Ich hatte den Kanal voll, glaub ich …«
    »Warum?«
    »Wie bitte?«
    »Warum hatten Sie den Kanal voll?«
    »Na, weil ich getrunken hatte.«
    »Und darüber ärgerten Sie sich?«
    »Ärgern?« wiederholte ich verwirrt. »Eigentlich nicht …«
    »Und warum hatten Sie den Kanal dann voll?«
    »Ach so«, sagte ich, als ich endlich kapierte. »So meinen Sie das. Ich meinte ›Kanal voll‹ wie in ›betrunken‹, nicht wie in ›sich ärgern‹. Wissen Sie, wenn wir in England sagen, wir hätten den Kanal voll, dann … ach, ist ja auch egal.« Ballinger sah mich wieder

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