Geschichte machen: Roman (German Edition)
Nibelungen gesehen. Natürlich nehmen sie feige Rache und erstechen Siegfried hinterrücks. Aber den Ring bekommen sie nicht in die Finger, nie und nimmer.
»Dabei hatten sie ihn geschmiedet«, stellte Gutmann süffisant fest.
»Ja, aus gestohlenem Gold!« versetzte ich. »Sie werden ihn niemals besitzen. Niemals!«
»Nein, natürlich nicht«, bestätigte Gutmann in seiner begütigenden »Ich bin ja so weise und demütig«-Rabbinerart. »Die Weltherrschaftkann nur jenen gehören, die der Liebe abzuschwören gewillt sind.«
»Jedenfalls steht fest, daß sie niemals einer aufgeblasenen Puffmutter wie Ihnen gehören wird«, sagte ich, weil mir nun doch der Kragen platzte. Die ganze Tafel brach in schallendes Gelächter aus. Alle wissen, daß seinem affektierten Heidelberger Witz und großkotzigen Intellekt zum Trotz Gutmanns unverschämter Reichtum aus den über ganz Deutschland verteilten Tingeltangelbühnen seines Vaters herrührt. An diesen verwahrlosten Stätten will man nicht etwa Schiller oder Shakespeare, dort will man Mädchen sehen. (Ich weiß, wovon ich rede!!!)
Gutmann wurde knallrot und verließ das Kasino mit den steifen Bücklingen eines Zwergjunkers. Die rangniederen Offiziere wiederholten unterdessen die Stichelei »aufgeblasene Puffmutter! aufgeblasene Puffmutter!«
Später meinte ich im Gespräch zum Oberst, im Grunde sei Gutmann kein schlechter Kerl. Sein einziger Fehler sei die lange Abwesenheit vom Kampfgeschehen, wodurch er den Kontakt zur Wirklichkeit eingebüßt habe. Andererseits, fügte ich bescheiden hinzu, sei meine eigene Theorie, daß die mittleren Offiziersränge ab und zu angespornt werden sollten, neben den Gemeinen zu kämpfen, wahrscheinlich hoffnungslos veraltet und sentimental …
»Durchaus nicht!« sagte der Oberst. »Durchaus nicht …«, und ich merkte, daß ich ihn auf eine Idee gebracht hatte. Ha! Es sollte mich nicht wundern, wenn sich Hugo Gutmann in ein paar Tagen an vorderster Front wiederfindet, und mit etwas Glück und Hilfestellung meinerseits soll die Welt schon bald um einen Juden ärmer sein.
Betrunken zu Bett. Der Oberst hielt mich auf und ließ durchblicken, daß mir eine Beförderung bevorstehen könnte.
Das Leben ist schön.
Mit bebenden Fingern blätterte Hans zu einem neueren Eintrag weiter.
24. Mai 1918
Traf heute morgen Mend und Schmitt. Sie erzählten die aberwitzige Geschichte, ein französischer Stoßtrupp hätte heute nacht Baligands Galapickelhaube erbeutet, die sein Trottel von Adjutant (Gutmann, der Satan hab ihn selig, war im Vergleich dazu wenigstenszuverlässig) bei der Inspektion gestern nachmittag in Oberleutnant Flecks Unterstand vergessen hatte. Die Welschen waren durch dreieinhalb verfluchte Jahre alte Schützengräben (ich kann mich an das Buddeln noch verdammt gut erinnern!) in Flecks Graben gekrochen, hatten den Wachposten erstochen und sämtlichen schlafenden Soldaten, darunter auch Fleck, die Kehlen durchgeschnitten. Sie ergatterten einige Papiere (militärisch so lohnend wie die Filzläuse, die mir den Schwanz abfressen), fünf Sturmgewehre, eine Kiste mit Blindgängern sowie, stellt sich jetzt heraus, Oberst Baligands lächerliche Galapickelhaube.
Ich veranstaltete lautes Säbelrasseln über diesen Frevel (als wäre mir das nicht scheißegal) und konnte mich kaum beherrschen, als mich plötzlich Schmitts Schmuddelpfoten am Ärmel zerrten. Durch seine gasgeschädigte Gurgel faselte er irgendeinen Schwachsinn von wegen, er wisse, was ich vorhätte, und ich wollte ihm schon brüderlich den Kopf tätscheln und gehen, als mir aufging, daß er mich anflehte, nichts zu überstürzen und den Helm etwa auf eigene Faust zurückzuholen! Nichts könnte mir ferner liegen als eine solche Idiotie! Meinetwegen kann der Franzmann von heute bis zum Jüngsten Tag jede Nacht da reinscheißen.
Wenn es um eine Mutprobe ginge, würde ich selbstverständlich losziehen, solche Husarenstücke sind gut fürs Renommee, aber Ernst, dieser Narr, bat mich ja inständig,
nichts
zu tun. Der Mann
verehrt
mich förmlich, leicht abartig, aber es hat auch etwas Berauschendes. Ich ließ ihn in dem Glauben, der heroische Rudolf sei ein Heißsporn und wild entschlossen, im Alleingang gegen die ganze französische Armee anzutreten, um einen Blechnachttopf zu entführen, aber dann kam mir plötzlich eine Erleuchtung. Verflixt noch mal, dachte ich, garantiert kann ich
ihn
dazu bringen loszuziehen!
Ich mokierte mich über seine Verwundung, gab zu verstehen,
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