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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ausdruckslos an, und langsam ging mir seine Tour auf den Wecker. »Ich weiß jedenfalls noch, daß ich mirden Kopf gestoßen habe. Und in einen Bus gestiegen bin. Und mich heute morgen beim Aufstehen komisch gefühlt hab.«
    »Und vorher? Woran können Sie sich sonst noch erinnern?«
    »Nicht viel, an fast gar nichts. Cambridge natürlich. Ich erinnere mich an Cambridge. Da gehör ich schließlich hin.«
    »Wollen Sie zufällig Kommilitonen in Harvard besuchen?«
    »Harvard? Wie meinen Sie das?«
    »Harvard liegt in Cambridge, Massachusetts, vielleicht hatten Sie sich dort mit Freunden verabredet.«
    »Nein! Ich meine Cambridge. Wissen Sie,
das
Cambridge. St. Matthew’s.«
    »Cambridge, England?«
    »Ja. Ich muß zurück. Ich muß unbedingt zurück. Es war dringend. Ich hatte dort etwas Dringendes vor, oder etwas Wichtiges war schon passiert. Wenn ich mich doch bloß
erinnern
könnte …«
    »Ganz ruhig! Setzen Sie sich wieder hin, Michael. Machen Sie nicht die Pferde scheu. Nur die Ruhe.«
    Ich setzte mich wieder. »Warum mußte mir das bloß passieren?« sagte ich. »Was ist bloß los?«
    »Das wollen wir ja gerade herausfinden. Sie erinnern sich also an das Cambridge in England?«
    »Ich glaube ja.«
    »Sympathisieren Sie vielleicht mit England?«
    »Wie meinen Sie das?«
    Er zuckte die Schultern. »Wo stehen Sie zum Beispiel politisch?«
    »Politisch? Nirgends.«
    »Sie stehen politisch nirgends, soso. Aber Ihre Eltern stammen doch aus England, oder, Mike? Sind die nicht in den Sechzigern emigriert?«
    »Meine Eltern?«
    »Ihre Mutter und Ihr Vater.«
    »Ich weiß, was Eltern sind!« giftete ich. Ballingers Benehmen ärgerte mich immer mehr, obwohl mir nicht entging, daß auch meine Verwirrung ihn zunehmend aufbrachte.
    Er antwortete nicht, sondern notierte sich etwas, was mich nur noch mehr ärgerte. Er wollte sich sein Mißfallen bloß nicht anmerken lassen.
    »Ich weiß«, sagte ich. »Mein Vater ist tot, und meine Mutter lebt in Hampshire.«
    »Sie glauben, daß Ihre Mutter in New Hampshire lebt?«
    »Nein, nicht New Hampshire. Nur Hampshire. Meinetwegen Old Hampshire. Das Hampshire in England.«
    »Waren Sie mal in England, Michael?«
    »
Mal?
Das ist meine Heimat. Da bin ich aufgewachsen, und da wohne ich. Und jetzt muß ich da dringend hin.«
    »Sehen Sie gern englische Filme?«
    »Ich geh grundsätzlich gern ins Kino. Nicht nur in englische Filme. Davon gibt’s ja auch nicht genug.«
    »Vielleicht sind sie Ihnen zu politisch.«
    »Was soll denn das wieder heißen?«
    Er antwortete nicht, zog mit einem Lineal einen Strich über seinen Notizblock, ließ den Stift erneut fallen und stützte das Kinn in die Hände.
    »Oder liegt es daran, daß Sie gerne Schauspieler wären? Vielleicht sehen Sie sich ja als einen großen Hollywoodstar.«
    »Schauspieler? Ich war noch nie auf einer Bühne. Nicht mal in einem Weihnachtsmärchen.«
    »Schauen Sie, ich suche doch bloß nach einer Erklärung für Ihren aufgesetzten Akzent, Michael.«
    »Der ist nicht aufgesetzt! So rede ich nun mal. Das bin ich!«
    Ballinger griff nach einem dicken Adreßbuch auf dem Schreibtisch, blätterte darin und ließ die Stiftspitze die Spalten hinabgleiten.
    »Studenten im Senior Year«, murmelte er. »Mal sehen, Wagner … Williams … Wood … Yelling … Treffer!« Er kreisteetwas ein und schob mir das offene Buch zu. »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Mike. Ich möchte, daß Sie sich diesen Namen und diese Telefonnummer anschauen und mir beide vorlesen.«
    »Äh … Young, Michael D., 303 Henry Hall. 342 12 21.«
    »Gut. Und jetzt schauen Sie bitte zu, während ich diese Nummer wähle, ja?«
    Er drückte auf einen Knopf seines Telefons, und aus dem eingebauten Lautsprecher drang das Freizeichen. »Lesen Sie bitte noch einmal die Nummer vor, Mike.«
    »Drei-vier-zwo. Eins-zwo, zwo-eins.«
    »Drei-vier-zwei«, wiederholte Ballinger beim Wählen, »zwölf einundzwanzig.«
    Konfus lauschte ich dem Klingelton. »Aber wenn das meine Nummer ist, warum rufen Sie …?«
    Ballinger hob eine Hand. »Pst! Hören Sie zu.«
    Das Klingeln verstummte, und nach einem Klicken ertönte eine fröhliche Stimme. »Hi, hier ist Mikey. Du hast angerufen, und ich bin nicht da. Mensch, das ist doch kein Weltuntergang. Sprich mir nach dem Signal einfach was aufs Band, und wenn du Schwein hast, ruf ich vielleicht zurück.«
    Ballinger drückte wieder auf den Knopf fürs Freisprechen, verschränkte die Arme und sah mich an. »Waren Sie das etwa nicht,

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