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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ich mache mir wegen seiner körperlichen Verfassung Sorgen und ob er nicht hinter der Front besser aufgehoben wäre. Der sture Bauernschädel war tief gekränkt. Ich weiß, daß er sich bewähren will, und ich bin sicher, daß er auf den Köder so angebissen hat, wie es sich für einen Wurzelsepp gehört. Mend stand noch dabei, deswegen wagte ich nicht, deutlicher zu werden. Aber später fing ich Schmitt ab und bearbeitete ihn subtil eine weitere halbe Stunde. Ich bin ziemlich sicher, daß er Dummheiten anstellen wird.
    Bin gespannt, ob’s klappt.
    Mitternacht ist schon vorbei. In einer guten Stunde gehe ich zumBeobachten raus. An der nördlichen Splitterschutzwand habe ich ein ideales Blickfeld vom Kudamm ins Niemandsland. Wenn Schmitt seinen Weg zum Ruhm antritt, werde ich es sehen.
    Was ist, wenn er in Begleitung geht? Hm. Nein, wird er nicht. Sein einziger Freund ist Hans Mend, und der ist ein viel zu großer Schißhase, um bei solchem Wahnwitz mitzumachen. Schmitt wird auf eigene Faust gehen, und falls er Erfolg hat, krieche ich ihm zum Drahtverhau entgegen, als hätte ich dieselbe Idee gehabt, und wir kehren im gemeinsamen Triumph zurück.
    Laut Kalender haben wir heute nacht Neumond. Ausgezeichnet! Das wird sich Schmitt nicht entgehen lassen.
     
    25. Mai 1918
    Gott meint es gut mit mir. Eine Stunde lang habe ich gewartet, in den Himmel gestarrt und mir die Zeit damit vertrieben, so viele Sternbilder wie möglich zu finden. Dreiundzwanzig, ich bin’s zufrieden. Ich hatte beschlossen, mich in die Falle zu hauen, falls Schmitt nicht bis zwei Uhr auftauchen würde. Er würde mindestens zwei Stunden Dunkelheit brauchen, um durch den Drahtverhau zu den französischen Stellungen zu gelangen, ohne Aufsehen zu erregen.
    Prompt sah ich ihn um Punkt zwei Uhr, wie er sich nur zwei Meter unter mir aus dem vorderen Graben hochzog und zur nächsten Lücke im Drahtverhau aufmachte. Es war zu dunkel, um ihn eindeutig zu erkennen, aber bei dem schweinischen Grunzen und rasselnden Keuchen kam niemand anders in Frage. Es mußte Schmitt sein, die ehrliche alte Haut.
    Zehn Minuten lang wußte ich nicht, was los war, aber der Draht zitterte auf ganzer Länge, und das leise Doing verriet mir, daß er zumindest vorankam.
    Er war ein Meister der geräuschlosen Fortbewegung. Außer dem leisen Drahtsingen hörte ich keinen Muckser. Eine Stunde lang harrte ich aus und beobachtete mit dem Feldstecher Abschnitt K, wohin er unterwegs sein mußte. Halb und halb beneidete ich ihn. Ich hätte nur zu gern getan, was er vorhatte, und ich schätze, ich hätte es auch getan, falls mich jemand herausgefordert oder es mir nicht zugetraut hätte. Ich bin weiß Gott kein Feigling, aber Tapferkeit muß sich lohnen. Einen Ruf verschaffen, ein Ziel erreichen. Schmitts Tapferkeit war bar jeder Phantasie, war nur die bedingungslose Courage allen Kanonenfutters.
    Ich sah die erste Morgenröte den Himmel hinter unseren Stellungen hinaufkriechen. Noch immer kein Zeichen von Schmitt. Ich träumte wieder vor mich hin, sagte mir Goethegedichte auf und übersetzte sie zum Spaß ins Französische.
    Eine Viertelstunde später sah ich ihn endlich, wie er im Zwielicht hakenschlagend auf mich zukam. Die eine Hand hielt den Helm des Obersten am Lederriemen, unter dem anderen Arm glaubte ich eine Art Schwert zu erkennen. Ein wackerer Mann.
    Ich sprang auf den Lattenrost hinab und machte mich auf den Weg zur nächsten Grabenleiter. Ich kletterte hinauf und robbte durch den trockenen Schlamm auf den Drahtverhau zu. Als ich dort angekommen war, hob ich den Kopf und sah, wie Schmitt ganz außer Atem stehenblieb und sich in einen Granattrichter fallen ließ. Der Gedanke ging mir durch den Kopf, daß ich zu ihm schleichen, ihn erschießen, alleine zurückkehren und den ganzen Ruhm absahnen konnte.
    Ich entschied mich gegen ein solches Vorgehen, solange ich es nicht gründlich durchdacht hatte. In moralischer Hinsicht hatte ich natürlich keine Skrupel. Vom eigenen Vorankommen abgesehen, sollte man sein Leben von moralischen Kriterien freihalten, aber ich wußte nur zu gut, daß man mit übereilten Handlungen stets schlecht beraten ist. Wenn man einen Plan ausgearbeitet hat, muß man sich daran halten. Kleine Geister mögen aus einer spontanen Laune heraus handeln und glauben, sie hätten für ihre Initiative und ihren Unternehmungsgeist Lob verdient. In Wirklichkeit geben sie nur zu erkennen, daß ihr Plan nicht ausgereift war, daß sie nicht sämtliche Möglichkeiten

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