Geschichten aus dem Ringwelt-Universum
stoßen und zu treten, damit ich weggehen sollte. Ich ging ja schon weg. Ich ging ja schon. Dann riß mir jemand mein Schild aus der Hand…« Er stockte für einen Moment und fuhr dann in einer anderen Richtung fort: »Ich habe doch niemandem was getan mit meinem Schild. Ich studiere Psychologie. Ich schreibe eine Diplomarbeit darüber, was Leute in ein leeres Schild hineininterpretieren. Wie die leeren Karten beim Rorschach-Test.«
»Und was für Reaktionen haben Sie erhalten?«
»Meistens feindselige. Aber niemals das da.« Der Mann mit dem Schild wirkte verstört. »Sollte man nicht meinen, daß ein Freipark der Ort ist, an dem jeder sagen kann, was er will?«
Jill wischte ihm mit einem Papiertuch aus Glenda Hawthornes Handtasche das Gesicht ab. Sie sagte: »Insbesondere, wenn man überhaupt nichts sagt. He, Ron, erzähl uns mehr über deine Regierung durch Anarchie.«
Ron räusperte sich. »Ich hoffe, du beurteilst sie nicht nach dem da. Die Anarchie in King’s Freipark ist erst ein paar Stunden alt. Sie braucht Zeit, um sich zu entwickeln.«
Glenda Hawthorne und der Mann mit dem Schild fragten sich sicher, wovon er überhaupt redete. Ich wünschte ihm viel Spaß dabei, es ihnen zu erklären und fragte mich, ob er ihnen sagen würde, wer für den Ausfall der Monitore verantwortlich war.
Diese Wiese erschien mir als ein guter Platz, die Nacht zu verbringen. Sie war offen, ohne Deckung und ohne Schatten, so daß niemand sich heimlich anschleichen konnte.
Und ich lernte langsam, wie ein echter Paranoiker zu denken.
Wir lagen im nassen Gras und dösten vor uns hin oder redeten miteinander. Zwei andere Gruppen, nicht größer als die unsrige, lagerten auf dem Turnierplatz. Sie hielten Abstand von uns und wir von ihnen. Ab und zu hörten wir Stimmen, dann wußten wir, daß sie nicht schliefen, oder zumindest nicht alle.
Der Mann mit dem Schild fand keine Ruhe. Seine Rippen bereiteten ihm Schmerzen, obwohl Jill sagte, daß keine von ihnen gebrochen sei. Wiederholt wimmerte er und versuchte seine Stellung zu verändern und wachte dadurch auf. Dann mußte er sich stillhalten, bis er wieder einschlief.
»Geld«, sagte Jill. »Man braucht eine Regierung, um Geld zu drucken.«
»Aber man könnte Schuldscheine drucken lassen. Zu einem vereinbarten Nennwert, gegen Bezahlung gedruckt und notariell beglaubigt. Gegengezeichnet mit deinem guten Namen.«
Jill lachte leise. »Du hast an alles gedacht, nicht wahr? Du könntest auf diese Art aber keine weiten Reisen machen.«
»Dann eben Kreditkarten.«
Ich hatte aufgehört, an Rons Anarchie zu glauben. Ich warf ein: »Ron, erinnerst du dich an das Mädchen mit dem langen blauen Mantel?«
Ein kleines Loch des Schweigens. »Ja?«
»Sie war doch hübsch, oder? Sie war doch nett anzusehen.«
»Doch, sicher.«
»Wenn es keine Gesetze gäbe, die dich davon abhalten, sie zu vergewaltigen, würde sie bis über die Ohren vermummt gehen und einen Tränengasstift tragen. Wäre das noch ein schöner Anblick? Ich mag den hüllenlosen Look. Sieh nur, wie schnell er verschwunden ist, nachdem die Monitore nicht mehr da waren.«
»Hm-m«, sagte Ron.
Die Nacht wurde langsam kühl. Leise Stimmen, gelegentliche ferne Schreie kamen wie dünne graue Fäden in einem schwarzen Vorhang des Schweigens. Mrs. Hawthorne sprach in das Schweigen:
»Was hat dieser Junge wirklich gesagt mit seinem weißen Schild?«
»Er hat überhaupt nichts gesagt«, meinte Jill.
»Nicht so voreilig, meine Liebe. Ich glaube er hat schon etwas gesagt, auch wenn er es selbst nicht wußte.« Mrs. Hawthorne sprach langsam, benutzte die Worte, um ihre Gedanken zu formulieren. »Es gab einmal eine Organisation, die gegen das Gesetz zur zwangsweisen Empfängnisverhütung protestierte. Ich gehörte dazu. Wir liefen stundenlang mit Transparenten herum. Wir druckten Flugblätter. Wir hielten Passanten an, um mit ihnen zu reden. Wir opferten unsere Zeit und unser Geld, wir nahmen eine Menge auf uns, weil wir den Leuten unsere Ideen vermitteln wollten.
Wenn sich jetzt ein Mann mit einem leeren Schild zu uns gestellt hätte, dann hätte er etwas gesagt.
Sein Schild sagt, daß er keine Meinung hat. Wenn er sich unter uns mischt, sagte er, daß wir auch keine Meinung haben. Er sagt, daß unsere Meinungen nichts wert sind.«
Ich sagte: »Erzählen Sie ihm das, wenn er aufwacht. Er kann es in sein Notizbuch schreiben.«
»Aber sein Notizbuch geht von falschen Annahmen aus. Er würde sein leeres Schild nicht zwischen
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