Geschichten aus der Murkelei
Als aber der Mann müde
im Bett lag, konnte er nicht einschlafen, denn der Hund auf dem Hofe bellte und jaulte wie rasend. Was hat denn Lümmel bloß?
überlegte der Mann. Er macht ja ein Getöse, daß man kein Auge zutun kann! Ich muß doch einmal sehen, was los ist. Seufzend
stand er auf, und weil es eine warme Sommernacht war, ging er, wie er war, nämlich im Hemd und mit bloßen Füßen, auf den Hof.
Es stand ein bißchen Mond am Himmel, so konnte der Mann sehen, daß ein graues Häufchen auf dem Hofpflaster lag. Und der Lümmel
sprang mit einem Satz auf das Häufchen zu, wollte hineinbeißen, jaulte schmerzlich und sprang wieder zurück. Von neuem sprang
er vor, schlug diesmal mit der Pfote danach, jaulte abermals vor Schmerzen …
»Was ist denn das für ein komisches Häufchen?« fragte der Mann und stieß mit dem Fuß danach. Der Fuß war nackt. »Aua!« schrie
der Mann. »Wer hat denn hier Stacheldraht auf den Hof gelegt?« Und er griff mit der Hand zu. |48| »Aua! Aua! Aua!« schrie der Mann wieder. »Wollen Sie mal nicht so pieken, Sie – auf meinem Hof!« Und der Mann hätte am liebsten
gejault wie der Hund.
Indes bekam der Stacheldraht vier Beine, raschelte und lief um die Ecke vom Holzschuppen.
»Lümmel!« sprach der Mann zum Hunde. »Jetzt weiß ich es. Ich habe solche Tiere schon in Bilderbüchern gesehen, das ist ein
Igel!«
Lümmel blaffte, das konnte ja heißen.
»Ein Stacheligel, ein ganz gewöhnlicher Schweinigel«, sprach der Mann. »So was wollen wir nicht bei uns haben: Es piekt und
frißt dein Futter weg – nicht wahr, nein –?«
Lümmel blaffte wieder.
»Komm, wir wollen den ollen Igel suchen und aus dem Garten schmeißen«, sprach der Herr, machte die Tür zum Garten auf, und
Herr und Hund gingen in den Garten. Nun war der Garten sonst dem Hunde streng verboten, weil er sich nicht daran gewöhnen
konnte, manierlich auf den Wegen zu gehen, sondern immer auf die Beete trat. Aber an diesem Abend war es dem Manne egal. »Such,
Lümmel, such, guter Hund!« sagte er, und Lümmel lief über die Beete und zertrat junge Pflanzen, so viele, wie zehn Igel in
zehn Jahren nicht zertreten.
Schließlich fanden sie den Igel im Obstgarten, wo er mit viel Schmatzen eine dicke, überreife, matschige Fallbirne verzehrte.
Als der Igel aber die beiden kommen hörte, rollte er sich schnell zu einer Stachelkugel zusammen.
»Siehst du, Lümmel«, sprach der Herr traurig zu seinem Hunde, »was das für ein häßlicher Igel ist: Nicht nur dein Futter,
nein, auch meine schönen Birnen frißt er weg. Den müssen wir ausrotten. Aber wie –?«
Darauf wußte Lümmel keine Antwort, er jaulte bloß, denn wegen der scharfen Stacheln traute er sich nicht mehr an den Igel
heran. Der Mann traute sich auch nicht mehr an den Igel heran, darum stand er eine lange Weile und dachte |49| scharf nach. Als er lange genug nachgedacht hatte, sagte er freudig: »Mir ist etwas Gutes eingefallen, Lümmel: Wir hungern
den Igel aus! Jetzt gehe ich in den Holzstall und hole eine alte Kiste. Die stülpen wir über den Igel, und wenn er dann drei
Nächte und drei Tage darunter gesessen hat, wird er wohl verhungert sein!«
Lümmel blaffte. Der Mann nahm es für ja und ging zum Holzschuppen. Als er aber zehn Schritte gegangen war, merkte er, daß
der Hund hinter ihm ging. Da sprach er: »Nicht so, mein Lümmel! Du mußt bei dem Igel sitzen bleiben und aufpassen, daß er
nicht wegläuft, während ich die Kiste hole.«
Und er ging zurück mit dem Hund zum Igel, hieß den Hund, sich vor den Igel hinsetzen, und ging wiederum, die Kiste holen.
In dem dunklen Holzstall aber erfuhr der Mann nichts Gutes: Eine Kiste fiel ihm auf den nackten Fuß und quetschte ihn, an
der zweiten Kiste riß er sich einen Splitter ein, die dritte Kiste stach ihn mit einem Nagel. »Ach, was für ein böses Tier
ist doch solch ein Igel!« seufzte der Mann. »Die Leute haben ganz recht, wenn sie ihn Schweinigel nennen.« Damit nahm er die
vierte Kiste und ging in den Obstgarten unter den Birnbaum.
Aber da waren weder Igel noch Hund zu sehen. Der Mann guckte, so gut er gucken konnte, er pfiff und lockte, so gut er locken
konnte, aber nicht Hund noch Igel meldeten sich.
Der Mann stellte die Kiste ab, seufzte schwer und sprach: »Was ist denn nun bloß wieder passiert? Sicher ist der Igel weitergegangen
und der Lümmel hinterher, aber jetzt könnte er sich doch einmal mit Bellen melden.«
Er suchte und
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