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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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suchte im Garten, aber er fand nichts. Schließlich wurde er des Suchens müde, die nackten Füße waren vom Tau
     naß, und er fror in seinem Hemde. – Jetzt lege ich mich ins Bett, werde warm und schlafe, dachte der Mann. Der Lümmel wird
     schon auf den Igel achten.
    |50| Als der Mann ins Haus ging, dessen Tür er vorhin in der Eile offengelassen hatte, hörte er in der Küche großes Gepolter und
     dann fürchterliches Geklirr von zerbrechendem Geschirr. Und als er Licht machte, sah er seinen eigenen Hund, den Lümmel, der
     war über die Milch geraten, hatte den Kalbsbraten angebissen, die Schüssel mit den Bohnen vom Tisch gestoßen, ein Vorderbein
     in den Schmalztopf, ein Hinterbein ins Blaubeerkompott gesteckt; mit dem Schwanz war er am Fliegenfänger klebengeblieben,
     und die Nase hatte er in die Quarkschüssel getaucht.
    »I du elender Hund!« schrie der Herr zornig. »Hat der alte Schweinigel dich solche Gemeinheiten gelehrt? Warte, ich will dir!«
     Und er fuhr mit dem Besen auf den Hund los. Der Lümmel, weil er sah, es sollte Prügel geben, und zwar gesalzene, weil er noch
     sah, der Herr stand in der Tür und ließ ihn nicht raus, der Lümmel tat einen Sprung und fuhr mit einem fürchterlichen Wehgeheul
     durch die Fensterscheibe, die klirrend zerbrach. Dann rannte er in die Nacht hinaus und hörte nicht eher auf zu rennen, bis
     weder Haus noch Licht noch Mensch zu sehen waren.
    Der Mann aber räumte seufzend und müde die verwüstete Küche auf und sprach bei sich: »Eigentlich bin ich ja schuld, ich hätte
     die Küchentür zumachen müssen. Aber eigentlich ist doch allein der alte Igel schuld: Wäre der nicht über den Hof gelaufen,
     hätte der Hund nicht gebellt. Hätte der Hund nicht gebellt, wär ich nicht aufgewacht. Wär ich nicht aufgewacht, wär ich nicht
     auf den Hof gegangen. Wär ich nicht auf den Hof gegangen, hätt ich die Küchentür nicht aufgemacht. Hätt ich die Küchentür
     zugelassen, hätt der Hund nicht reingekonnt. Hätt der Hund nicht reingekonnt, wär alles heil geblieben. Weil also der Igel
     über den Hof gelaufen ist, ging mein Geschirr entzwei, und mein schönes Essen wurde verdorben. Na, warte, alter Igel, wenn
     ich dich erwische!« Damit gähnte der Mann nochmals, ging ins Bett, wurde warm und schlief ein.
    |51| Am nächsten Morgen war Lümmel wieder da; er wackelte mit dem Kopf, kniff die Augen zu und klemmte den Schwanz ein, als der
     Herr strafend zu ihm sagte: »Lümmel, ich glaube, du bist ein rechter Höllenhund!« Aber dann besann sich der Mann und sprach:
     »Aber der Schweinigel, der an allem schuld ist, der ist ein wahrer Höllenfürst!« Damit ging der Mann an seine Arbeit und dachte
     an den Abend, wo er den Igel fangen wollte. Lümmel aber schlief nach der durchbummelten Nacht friedlich in seiner Hütte und
     bellte nur manchmal leise im Schlaf, wenn durch seinen Traum ein spitzes Osterei auf vier Beinen wackelte.
    Als nun der Mann zu Abend gegessen hatte und es schon fast dunkel war, steckte er eine Lampe in die Tasche und begab sich
     zu dem Birnbaum, unter dem er am gestrigen Abend die Kiste hatte stehenlassen. Sie stand noch da – aber neben ihr saß wahrhaftig
     dieses freche Igeltier und fraß schon wieder eine Birne –!
    »Halt!« sprach der Mann bei sich. »Die Kiste steht bereit, weg kommt mir dieser Bursche nicht, so kann ich erst einmal zusehen,
     wie viele Birnen er mir in seiner Unverschämtheit wegfrißt.«
    Der Mann stand und wartete, der Igel saß und fraß. Der Mann hatte es eigentlich eilig, ins Bett zu kommen, der Igel hatte
     alle Zeit – er fraß mit viel Genuß und schmatzte dabei wie ein Schweinchen. »Alter Schweinigel«, sagte der Mann. »Viele Birnen
     sollst du mir nicht mehr wegschmatzen.«
    Als der Igel die Birnen aufgefressen hatte, legte er sich ins Gras auf den Rücken und streckte die Beine zum Himmel. »Nanu!«
     sagte der Mann. »Das ist ja ein unglaubliches Benehmen! Dir scheint es ja in meinem Garten sehr gut zu gefallen.« Der Igel,
     als hätte er das verstanden, fing an, sich im Grase zu wälzen, und quiekte leise und vergnügt dabei. »Immer schöner!« sprach
     der Mann grimmig. »Unter meiner Kiste wird dir das Wälzen schon vergehen.«
    Der Igel stand auf und fing an weiterzumarschieren. |52| »Was denn?« sagte der Mann. »Der sieht ja plötzlich ganz anders aus. Der hat ja lauter Buckel!« Und er knipste seine Taschenlaterne
     an, den Igel abzuleuchten. Sofort schrie er: »Halt, du böser Birnendieb!«

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