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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Auf der Stelle rollte sich der Igel zusammen. Der
     Mann ging an ihn heran, und da sah er nun freilich, daß der Igel ein noch viel böserer Birnendieb war, als er geglaubt hatte.
     Denn der Igel hatte sich nicht nur zum Vergnügen im Grase gewälzt, er hatte sich dabei fünf schöne, reife Birnen auf die Stacheln
     gepiekst. Die wollte er nun wohl als Nachtessen in seinen Bau tragen.
    »Igel!« sprach der Mann zu dem zusammengerollten Stacheltier. »Böser Igel, Diebsigel, Birnendiebsigel, Fallbirnendiebsigel
     – ach, du alter böser Schweinigel, jetzt mußt du verhungern und sterben!« Damit nahm er die Kiste, rief noch einmal: »Siehste,
     nun kommst du unter die Kiste!« und stülpte sie über den Igel.
    Danach ging der Mann ins Haus und legte sich vergnügt zu Bett. Als er aber grade im Einschlafen war, fiel ihm ein, daß er
     es doch falsch gemacht hatte. Er hatte dem Igel ja die Birnen auf den Stacheln gelassen, da würde es zu lange dauern, bis
     er verhungerte. »Nein, was man für Scherereien mit solchem Igel hat!« seufzte er, stand auf und ging wieder in den Garten.
    Unter der Kiste raschelte es und quiekte es. Der Mann klopfte gegen die Kiste. »Du«, sprach er mahnend, »ein Gefangener hat
     leise und anständig zu sein. Roll dich jetzt wieder zusammen, sonst läufst du mir noch weg, wenn ich die Kiste hochhebe.«
     Er horchte: Unter der Kiste war es ruhig. Er hob sie vorsichtig hoch, richtig saß der Igel zusammengerollt darunter. »Na,
     das ist ja schon ganz artig«, sprach der Mann. »Aber jetzt ist es freilich mit dem Artigsein zu spät, sterben mußt du doch.«
     Damit sammelte er die Birnen auf, von denen einige schon aus den Stacheln gefallen waren, stülpte die Kiste wieder über, ging
     ins Haus, legte sich zu Bett, machte das Licht aus und schlief ein – sehr zufrieden mit dem, was er vollbracht hatte.
    |53| Den ganzen nächsten Tag war der Mann sehr vergnügt; immer einmal ging er von seiner Arbeit in Haus oder Garten fort und zur
     Kiste. Dann klopfte er mit dem Finger gegen die Kiste und horchte, aber es rührte sich nichts darunter. Sicher ist der Igel
     schon vor Hunger schwach und entkräftet, daß er sich nicht mehr rühren kann, überlegte der Mann. Aber hoch hebe ich die Kiste
     jetzt lieber noch nicht. Vielleicht beißt er mich vor Wut ins Bein, und vielleicht ist solch Wutbiß giftig, und vielleicht
     sterbe ich daran, und vielleicht bin ich dann noch eher tot als der Igel. Nein, das wollen wir mal lieber nicht machen!
    Damit ging der Mann wieder an seine Arbeit, und so machte er es drei volle Tage, bis er sicher war, daß der Igel jetzt vor
     Hunger gestorben sein mußte. Da ging er hin, und leise – vorsichtig – sachte – still – behutsam – ängstlich hob er die Kiste
     hoch und sah darunter. Und unter der Kiste war – – – nichts!
    »Nanu!« sagte der Mann, kratzte sich die Nase und sah den leeren Grasfleck an. Aber es war wirklich gar nichts da. Sollte
     der Igel vor Hunger ganz zu Luft geworden sein? fragte sich der Mann. Aber das hatte der Igel nicht getan, sondern als der
     Mann genauer hinsah, merkte er, daß der Igel sich ein Loch unter der Kiste durchgegraben hatte und ausgerissen war.
    Nein, dieser Heimtücker! wunderte sich der Mann. Darum war es so still unter der Kiste!
    Da habe ich mich also drei Tage umsonst gefreut, ärgerte sich der Mann. Das ist wirklich ein Jammer!
    Aus meinem Garten wird er aber ausgezogen sein, tröstete er sich. Er hat sicher eingesehen, daß ich mir seine Frechheiten
     nicht gefallen lasse.
    Darin aber irrte sich der Mann. Er wußte eben noch nicht, was für getreue Gesellen die Igel sind. –
    An einem schönen, stillen Abend saß der Mann nun recht zufrieden, seine Pfeife rauchend, auf einer Bank, die beim Komposthaufen
     stand. Oben auf dem Komposthaufen |54| wuchsen Gurken, unten auf der Bank saß rauchend der Mann. Morgen könnte es ein bißchen regnen, überlegte der Mann. Das ewige
     Gießen ist mir schon recht über. Aber für meine Gurken ist es mir nicht über – ich will die allerlängsten und allerdicksten
     Gurken von allen Leuten ernten. Wirklich hingen sehr schöne große Gurken da oben, aber der Mann wollte sie noch schöner und
     dicker.
    Grade als der Mann dies überlegte, raschelte es oben und – pardautz! fiel eine Gurke von dem hohen Komposthaufen auf die Erde.
     »Das verbitte ich mir!« rief der Mann und nahm die Pfeife aus dem Munde. »Ihr habt zu wachsen, nicht abzufallen, ihr Gurken!«
     Er bückte

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