Geschichten aus der Murkelei
sich nach der Gurke, oben raschelte es wieder und – plautz! – fiel ihm eine zweite Gurke auf den Rücken, daß es
knallte. »Aua!« schrie der Mann. »Das tut ja weh!« Und er rieb sich den Rücken.
Oben raschelte es noch einmal, aber diesmal fiel nichts, nein, es war, als wenn etwas fortlief. Diebe! dachte der Mann. Gurkendiebe!
Und er lief schnell um den Haufen herum. Er sah nichts, der Haufen war zu hoch. »Hallo, Sie!« schrie der Mann. »Gehen Sie
mal raus aus meinen Gurken, sonst rufe ich die Polizei.«
Plautz, pardautz fiel etwas aus dem Komposthaufen heraus, und als der Mann es ansah, war es wieder einmal der Igel. »Dachte
ich es mir doch!« sagte der Mann empört. »Nun sind meine Birnen gepflückt, da gehst du an meine Gurken. Sind meine Gurken
alle, wirst du die Kürbisse nehmen. Kürbisernte vorbei – machst du dich an die Rüben. Rüben alle, heißt’s Kartoffeln. Kartoffeln
ausgebuddelt, ist der Winter da, und du willst womöglich in mein warmes Haus. Nichts da – jetzt ist es völlig alle mit dir
– aber unter eine Kiste setze ich dich nicht wieder. Mir sollst du nicht noch einmal ausreißen!«
Damit nahm der Mann eine Schaufel, schob sie unter die Stachelkugel und trug den Igel hinunter an den See und legte ihn ins
Boot. Dann ruderte er ein weites Stück auf den |55| See und warf den Igel ins Wasser. »So«, sagte er, »du bist weg. Meinetwegen können sich die Fische deine Stacheln in ihre
Mäuler pieken.« Dabei fiel ihm ein, daß er gut einmal wieder nach seiner Aalreuse sehen könnte. Er ruderte hin, zog sie hoch,
und richtig waren zwei schöne, starke Bengel darin. Das geht ja großartig, dachte der Mann. Erst die Gurken, nun die Aale.
Grünen Aal mit Gurkensalat eß ich für mein Leben gerne.
Er ruderte vergnügt nach Haus, nahm in jede Hand einen Aal, stieg ans Ufer, ging zum Haus hinauf – wer steht im Wege?
Der Igel! Der Igel – noch ein bißchen naß, aber sonst sehr vergnügt.
Vor Schreck läßt der Mann die Aale fallen, der Igel quiekt und rennt unter einen Rosenbusch, die Aale schlängeln sich fort
ins Gras, der Mann schreit und rennt dem Igel nach in den Dornenbusch, wo er sich jämmerlich zersticht und zerkratzt. Die
Aale sind fort, der Igel ist verschwunden, aber der Mann hat blutige Hände. Der hat nicht gut geschlafen, diese Nacht!
Nun hatte dieser Mann aus der Stadt etwas in seinem Garten, das er noch mehr liebte als seine Birnen und Gurken. Das war ein
kleiner Steingarten, den er sich am Wasser gebaut hatte. Schwitzend hatte er aus eigener Kraft in einer Karre große Feldsteine
herangefahren und zu einem Mäuerchen aufeinandergesetzt. In die Fugen zwischen den Steinen hatte er Sand und Erde getan und
allerlei Gewächs darin eingepflanzt und ausgesät, wie es am liebsten zwischen Steinen gedeiht. Und nun blühte und wuchs das
Mäuerchen herrlich mit vielen Pflanzen, die so hießen wie: Gänsekresse und Sandmiere, Wohlverleih und Sterndolde, Lichtblume,
Besenheide, Lerchensporn und Mädchenauge.
In diesem Steingärtlein, das ihm doch gar keine Früchte trug, saß der Mann gerne einmal ein halbes Stündchen, ruhte sich von
seiner Arbeit aus, ließ sich von der Sonne |56| braten und sah abwechselnd die blühenden Kräutlein an oder auf den See hinaus, der im Sonnenlicht glänzte und strahlte wie
ein großer Spiegel.
Am Tage nach dem schlimmen Abenteuer mit dem Igel, der ihm wieder in den Garten geschwommen war, saß der Mann auch wieder
dort und ruhte sich aus. Da sah er, daß ein Pflänzlein, namens Helmkraut, in seiner Steinfuge die dunkelblauen Blütchen so
traurig hängen ließ, als wolle es völlig vertrocknen. Er ging näher und bemerkte ein Loch, das bei den Wurzeln des Pflänzchens
in die Erde ging. »Oh, diese bösen Mäuse!« sprach er recht traurig, »fressen sie dir deine Wurzeln ab, ohne die du doch nicht
leben kannst, armes Helmkraut?« Und er stocherte mit seinem Finger in dem Loch.
Aber er fuhr angstvoll zurück, denn aus dem Loch kam ein böses, scharfes Zischen, und hervor fuhr ein kleiner Kopf mit rötlich
funkelnden Augen, weit geöffnetem Maul, und zwischen den aufgesperrten Kiefern tanzte eine zweiteilige, dünne Zunge. Nach
schob der Leib, grau, mit einem scharfen Zickzackband den ganzen Rücken entlang, und jetzt war die ganze Schlange draußen,
und voller Angst sah der Mann, daß es eine Kreuzotter war, die böseste und giftigste Schlange, die im deutschen Lande lebt,
so giftig, daß
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