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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Peter laut »Pflaumenmus!«, mit dem Finger aber zeigte er auf die beiden Bonbongläser, und bei sich dachte er:
     So habe ich doch nicht gelogen. Ich habe Pflaumenmus verlangt, und wenn mir Frau Möbius dann Bonbons gibt, bin ich nicht schuld.
    Die alte Frau sagte: »Ach, Bonbons willst du! Das klingt ja komisch bei dir, ich glaube, du bist ein rechter Nuschelpeter.«
     Und damit tat sie in eine Tüte Eisbonbons und in |65| die andere Tüte saure Drops, gab die Tüten dem Jungen und sprach: »Auf Wiedersehen, Jungchen. Verdirb dir bloß den Magen nicht.«
    Peter aber steckte die eine Tüte in eine Tasche, die andere Tüte in die andere Tasche, nuschelte »Auf Wiedersehen« und ging
     los. Ganz wohl war ihm nicht, und was die Mutter sagen würde, konnte er sich schon denken, und was der Vater tun würde, fühlte
     er beinahe schon auf seinem verlängerten Rücken. Aber trotzig dachte er: Ich habe nicht gelogen, und wenn sie mir statt Pflaumenmus
     Bonbons gibt, bin ich nicht schuld!
    Darüber war er sich klar: Die Bonbons würde er alle aufessen müssen, ehe er nach Haus kam, sonst würde die Mutter sie fortnehmen,
     und er bekam dann jeden Tag nur einen oder zwei. Er ging also schnell die Dorfstraße entlang, und als er am Schulhaus vorbeikam,
     lief er, so rasch er konnte, damit ihn bloß der Lehrer nicht ansprach.
    Dann aber kam der schöne, ruhige Weg am Kirchhof entlang, und – schwupp! – war Peter mit einem Satz über die niedrige Kirchhofsmauer
     und drückte sich in die Büsche, die dort reichlich wuchsen. Auf einen uralten Grabstein setzte er sich, zog aus der einen
     Tasche die Drops, aus der andern die Eisbonbons, steckte dafür den Topfhenkel ein und fing an, sehr zufrieden die Bonbons
     in langen Reihen auf den Grabstein zu legen, denn er wollte sie erst einmal zählen. Gerade hatte er bis hundertsechsundfünfzig
     gezählt und freute sich, daß er so unglaublich viel Bonbons zu essen hatte, da raschelte es in den Büschen, und angstvoll
     fuhr Peter hoch, denn ein schlechtes Gewissen hatte er doch trotz aller Freude.
    Aus den Büschen kam aber nur Alfred Thode, der größte und stärkste Junge in der Schule. »Du hast aber mächtig viel Bonbons,
     Peter«, sagte der starke Alfred.
    »Es sind aber gar nicht meine«, sagte Peter voll Angst, denn er fürchtete, der Alfred würde sie ihm wegnehmen.
    |66| »Oller Nuschelpeter, daß es keine Steine sind, seh ich auch«, lachte Alfred. »Laß mich mal probieren!«
    »Nein, nein!« schrie Peter. »Ich geb keine ab! Ich kriege zu Haus fürchterliche Prügel deswegen, da will ich sie auch alleine
     aufessen!«
    »Das glaube ich, die sind fein zu essen!« lachte der starke Alfred, schob eine ganze Handvoll Bonbons zusammen und steckte
     sie auf einmal in den Mund. »Schmeckt großartig, Peter, willst du auch einen?« Und er hielt ihm einen einzigen hin.
    Das war Peter zuviel. Er brüllte: »Hilfe! Hilfe! Diebe!«
    »Wer schreit denn hier so jämmerlich um Hilfe?« klang’s vom Kirchhof her. Durch die Zweige sah ein Gesicht – und es gehörte
     dem Dachdecker, der vorhin von der Leiter geflogen war. Kaum hatte der den Peter erkannt, so rief er: »Du bist doch der infame
     Bengel, der mich auf die Leiter gerufen hat, grade als der Bulle kam? Warte, jetzt verhau ich dich!«
    Damit stürzte er sich auf Peter; Peter aber mußte laufen, immer von seinen schönen Bonbons fort, die der starke Alfred alle
     miteinander aufaß! Der Dachdecker, der von seinem Fall noch lahm war, humpelte, so schnell er konnte, hinter Peter her und
     schrie dabei: »Warte, Bengel, nimm deine Haue mit! Warte doch, ich habe die Haue schon hier!«
    Dies Geschrei hörte der Bettler, sah den Peter laufen, erkannte in ihm den, der ihn »Schuft« genannt haben sollte, lief auch
     hinterher und sammelte dabei fix Steine auf, die er beim Laufen dem Peter in den Rücken warf, daß der immer lauter schrie
     und stets schneller lief.
    Der Weg vom Kirchhof geht bergab, Peter saust so schnell wie eine Kanonenkugel. Unten kommt die Frau Gemeindevorsteher um
     eine Hausecke – Peter kann nicht mehr bremsen und saust ihr in den Bauch. Die gute, ein bißchen dicke Frau fällt auf den Rücken
     und streckt die Beine in die Höhe. Peter fällt über sie.
    |67| Gerne möchte er sich ein bißchen ausruhen, doch schon nahen Bettler und Dachdecker: Er muß weiterrennen. Jetzt läuft als dritte
     auch die Frau Gemeindevorsteher hinter ihm – Peters Zunge hängt schon bis ans Knie, er kann keine Luft mehr

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