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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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helle Stern, den ich sehen werde, Vater? Fällt er einfach so auf den Hof? Oder fällt er in meine kleine Kinderkrippe,
     die noch auf dem Boden steht? Oder auf den Strohfeimen? Oder wohin?«
    »Nichts von alledem, Christa«, antwortete der Vater. »Sondern er fällt deiner Mutter direkt ins Herz. Sieh, es ist ja nur
     ein kleiner, heller Himmelsfunke, der bei uns hier auf der Erde nicht leben könnte. Jeder Wind würde ihn auswehen, und jeder
     Regen müßte ihn auslöschen. Aber in deiner Mutter Herz bleibt er warm und hell. Sie gibt ihm von ihrem Blut, und sie nährt
     ihn von ihrem Fleisch, und davon wächst ein Menschenleib um ihn herum, in vielen Tagen und Wochen und Monaten, solch ganz
     kleiner Kinderleib, wie du ihn auch gesehen hast. Aber mittendrin sitzt und leuchtet und funkelt der kleine Himmelsstern –
     du trägst auch solchen Himmelsstern in dir, Christa!«
    »Ja«, sagte Christa, und als sie nun auf dem Hof angelangt waren, und der Vater sie von der Liese gehoben hatte, ging sie
     um die Scheunenecke und sah lange zum Himmel empor, denn sie hätte gerne gleich die Sterne, ihre Brüder und Schwestern, gesehen.
     Dafür war es aber noch zu früh, die Sonne stand am Himmel und erhellte ihn. Am hellen Himmel aber kann man die Sterne nicht
     sehen, erst wenn er dunkel wird, treten sie, die immer da sind, mit ihrem matteren Schein hervor.
    In der Nacht war es Christa im Schlaf, als riefe eine Stimme wie die Stimme ihres Vaters sie an: »Steh auf, Christa, und schau
     zu den Sternen!« Sie wachte auf und trat an ihr Fenster, zog den Vorhang zurück – da war über dem schwarzen Scheunendach auf
     der andern Seite des Hofes der ganze Himmel besteckt mit den Lämpchen vieler tausend Sterne, kleinerer und größerer, heller
     und nur matt leuchtender. Quer hindurch aber zog sich ein sanft leuchtendes, |73| breites, weißes Band wie eine helle Straße durch den ganzen Himmel.
    Und plötzlich, als Christa auf dies breite, strahlende Band schaute, löste sich ein Funke daraus, stürzte, immer heller leuchtend,
     durch den Himmel, und schon verschwand er hinter dem schwarzen hohen Scheunendach. »Ah!« hatte Christa gerufen und vor allem
     schönen Schauen und Staunen ganz das Wünschen vergessen. Und nun, ehe sie noch tief Atem geholt hatte, lief wiederum ein weiß
     leuchtender Stern durch den Himmel und noch einer – und wiederum einer … Und so fiel Stern um Stern, und Christa rief »Ah!«
     und »Oh!« und »Ach!« und staunte und freute sich. Aber es ging immer viel zu rasch, und zum Wünschen kam sie kein einziges
     Mal.
    Da sagte sie: »Oh, das ist schwer!«, und nun, weil sie das Brüderchen doch so gerne haben wollte, nahm sie sich fest vor,
     nur daran zu denken. Sie machte die Augen zu, damit sie eine Weile nichts sah. Als Christa sie aber wieder öffnete, sah sie
     genau auf einen helleren Fleck des weißen Sternenweges, und grade, als sie ihn anschaute, lösten sich zwei helle Sterne daraus
     und liefen nebeneinander, und nun fiel ihre Bahn zusammen, und mit größerer Helle liefen sie weiter, als sei es nur einer.
    Da dachte Christa bei sich: Es ist schön, daß es so ist. Der Vater mußte doch auch dabei sein. Denn sie meinte, der zweite
     Stern sei der Vater gewesen, der dem Brüderchen den Weg zeigte. Und während sie dies alles dachte, wünschte sie doch zu gleicher
     Zeit: »Brüderchen, komm zu uns!«
    Diesmal war der Wunsch zur rechten Zeit getan, denn der Sternzwilling verlosch nicht eher, bis sie ihren Wunsch zu Ende getan
     hatte. Da ging Christa, freudig aufatmend, ins Bett, und sie war froh, daß jetzt das Brüderchen in der Mutter Herz wohnte,
     und in dieser Freude schlief sie ein.
    Als sie aber eine Zeit geschlafen hatte, träumte ihr, sie sei von einem sanften Licht aufgewacht, und im Traum setzte |74| sie sich im Bett auf und sah in die dunkle Stube. Zuerst sah sie nur Dunkel, als sie aber genauer hinsah, merkte sie auf dem
     Tisch einen kleinen hellen Schein wie von einem sanften Licht ohne Feuer, in der Form wie eine Kerzenflamme. Und in der Mitte
     dieses Lichtscheins, der vielleicht so hoch war wie eine Hand, war ein noch helleres Leuchten. Und als sie genau hinsah, hatte
     dies Leuchten die Gestalt eines kleinen Kindes, so lang wie ein Finger. Christa saß in ihrem Bett und starrte auf das Kind
     aus Licht.
    Da sagte das fremde, fingerkleine Kind: »Siehst du mich nun, Schwester?«
    Sagte die träumende Christa: »Ich sehe dich, Brüderchen.«
    Fragte das Lichtkind: »Warum

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