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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Bettler: »Sollst aber nicht Schuft sagen!« und lief schneller.
    Fiel der Peter über einen Stein, schrie: »Aua!«
    Rief der Bettler: »Ja, Haue gibt’s!«
    War der Topf kaputtgefallen.
    Der Peter schrie, der kranke Lehrer sah aus dem Schulfenster und rief: »Wollen Sie mal den Jungen nicht hauen!« Da lief der
     Bettler weg, denn er hatte Angst vor dem Lehrer.
    »Peter, komm mal her!« befahl der Lehrer.
    Peter kam heulend ans Fenster, hatte den Topfhenkel, aber ohne Topf, in der Hand und in der andern Hand seinen Fünfziger.
    »Hast du den Topf zerbrochen?« fragte der Lehrer.
    »Für Pflaumenmus!« heulte Peter.
    »Was ist mit deinem Fuß?« fragte der Lehrer. »Zeig mir den Fuß mal!«
    »Pflaumenmus!« heulte Peter lauter.
    »Ja, ja. Nun zeig doch den Fuß!« sagte der Lehrer ärgerlich.
    »Pflaumenmus!« schrie der Peter ganz laut.
    »Wenn du jetzt deinen Fuß nicht sofort zeigst«, sprach der Lehrer ernst, »gibt’s ein paar hinter die Ohren, Peter!«
    So mußte der Peter den Fuß herzeigen, obwohl er gar nichts daran hatte. »Na, das sieht nicht schlimm aus«, sagte der Lehrer
     und sah sich den Fuß an. Peter ging nämlich barfuß. »Geh langsam und achte auf den Weg, dann geht dir auch kein Topf kaputt.«
    »Jawohl Herr Lehrer!« sagte Peter artig.
    Der Lehrer aber rief ärgerlich: »Du sollst doch nicht so |63| nuscheln, Peter! Das klang eben grade so, als hättest du zu mir ›Alles Kohl‹ gesagt.«
    Damit schlug der Lehrer das Fenster zu, und Peter ging weiter, dachte aber dabei: Der Topf ist kaputt, aber ich bin nicht
     schuld daran.
    Endlich kam Peter doch zum Laden des Herrn Möbius, der aber nicht da war. Sondern seine alte Mutter, die schon ein wenig taub
     auf beiden Ohren war, saß im Ladenfenster, damit sie auch sehen konnte, wer auf der Dorfstraße vorüberging, und strickte einen
     Strumpf. Peter, der wußte, wie schlecht die alte Frau hörte, dachte: Hier muß ich es gut machen, sonst gibt es keine Musklöße,
     und schrie, so laut er konnte: »Tag, Frau Möbius, ich möcht für ’nen Fünfziger Pflaumenmus!«
    Gott! fuhr die alte Frau in die Höhe! Sie hatte die Ladenklingel gar nicht gehört. »Was für ’nen Schuß? Wo fiel der Schuß?«
     rief sie zitternd.
    »Für fünfzig Pfennige Pflaumenmus!« schrie Nuschelpeter noch lauter.
    »Wie –?« fragte die alte Frau und hielt die Hand an die Ohren.
    »Pflaumenmus!« brüllte Peter und zeigte ihr das Geldstück.
    »Was will er bloß –?« murmelte die alte Frau. »Ich versteh immer: Frau mit Kuß!«
    »Pflaumenmus!« brüllte Peter und schrie so, daß die Scheibe klirrte und ihm der Hals weh tat.
    Die alte Frau schüttelte verzagt den Kopf. »Jungchen«, sagte sie, »laut schreist du wohl, aber du hast so ’ne nuschlige Aussprache.
     Weißt du was, geh hinter den Ladentisch und such selber, was du haben willst. Ich will schon aufpassen, daß es nicht zu viel
     wird.«
    Damit nahm sie ihm die fünfzig Pfennig aus der Hand und machte die Klappe im Ladentisch auf, daß er durchschlüpfen konnte.
    |64| Da stand Peter nun wie ein kleiner Kaufmann, und was er sich manchmal im Einschlafen gewünscht hatte, nämlich einen großen
     richtigen Laden mit allem drin, was er gerne mochte, das hatte er nun. Da waren viele, viele Schubladen mit kleinen Schildern
     daran, und so viel konnte er schon lesen, daß er verstand, was in den Schubladen war. Wo Salz und Mehl dranstand, da sah er
     gleich wieder weg, aber wo Zucker und Mandeln und Rosinen und Erdnüsse dranstand, da sah er immer länger hin, und sein Herz
     fing an, schneller zu klopfen.
    Unter den Schubladen aber standen auf der Erde noch Steintöpfe und Tönnchen, auf denen war zu lesen: Saure Gurken, Schmalz,
     Sirup, Marmelade und Pflaumenmus. Schnell sah Peter wieder weg und – richtig – da stand das, was er schon lange gesucht hatte:
     zwei schöne, blanke Gläser voller Bonbons.
    Der Peter hatte noch immer den Henkel vom Steintopf in der Hand, und er hielt ihn auch weiter fest, aber dabei starrte er
     auf die beiden Gläser mit Bonbons, daß ihm die Augen übergingen, und dachte: Ach je, wie schön wäre das, wenn ich statt Pflaumenmus
     für ganze fünfzig Pfennige Bonbons kaufen könnte! Da würde ich mich einmal richtig satt an ihnen essen und brauchte zum Mittag
     gar keine Musklöße!
    Grade als der Peter so schlimme Gedanken bei sich hatte, sagte die alte Frau Möbius ungeduldig: »Na, Jungchen, hast du denn
     noch immer nicht gefunden, was du holen willst?«
    Da sagte der

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