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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ganzen schönen Rede nichts, denn er schlief. Aber er blieb wirklich am Leben, denn |59| Schlangengift tut den Igeln nichts, und er lebte mit dem Manne im Haus und ging überall mit ihm. Da lernte der Mann, was für
     nützliche Gesellen die Igel sind, die nicht nur die Schlangen töten, sondern auch Mäuse und Käfer und Raupen und Ohrwürmer.
     Da wurde der Igel, den er erst hatte töten wollen, sein liebster Freund. Auch hielt der Mann sein Versprechen: freute sich
     mehr und ärgerte sich weniger, so hatte er ein gutes Leben.
    Nur eines tat der Mann nicht: Er ließ den Igel nicht mit sich im Bette schlafen. Und das kann man nicht übelnehmen: Als Schlafgefährte
     war der Igel zu stachlig, auch hatte er wie alle Igel viele Flöhe.

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    |60| Geschichte vom Nuschelpeter
    Es war einmal ein Junge, der war gar nicht mehr ganz klein und hieß Peter. Aber im ganzen Dorf nannten sie ihn nur den Nuschelpeter,
     weil er niemals ordentlich und deutlich sprach. Sondern er redete, als hätte er eine Riesenkartoffel im Munde. Und hundertmal
     konnten ihm Vater und Mutter sagen: »Peter, sprich deutlich!« – Peter nuschelte weiter, und es war ihm egal, ob ihn die Leute
     verstanden oder nicht.
    An einem Tage hatten nun die Kinder schulfrei, weil ihr Lehrer krank war, und Peter wäre gern zum Spielen gegangen. Aber die
     Mutter sagte: »Peter, ich will heute Musklöße machen. Lauf schnell zum Kaufmann Möbius und hole ein Pfund Pflaumenmus.« Damit
     gab sie ihm einen Henkeltopf und ein Fünfzigpfennigstück, und Peter ging los.
    Er lief aber gar nicht schnell, und als er zu dem Kreuzweg kam, wo rechts der Weg nach Drewolke und links der Weg nach Gooren
     abgeht, blieb er ganz stehen. Denn es kam ein Auto langsam dahergefahren, und am Steuer saß ein Mann mit einem roten Bart.
     Der fuhr noch langsamer, als er den Peter sah, und rief: »Junge, ich bin der Doktor und muß zu einer kranken Frau nach Gooren.
     Da geht’s doch hier lang?« Und der Mann zeigte auf den Weg nach Drewolke.
    »Da geht’s nach Drewolke!« rief der Nuschelpeter.
    Der Doktor aber verstand ihn wegen seines Nuschelns falsch, rief: »Das sage ich ja!«, gab Vollgas und haute ab auf dem Weg
     nach Drewolke, obwohl er doch nach Gooren wollte. Das ist eine schöne Bescherung! dachte der Junge. Aber ich bin nicht schuld
     daran.
    |61| Damit guckte er dem Auto nach, bis auch der letzte Staub sich gelegt hatte. Dann ging er weiter zum Kaufmann Möbius. Als er
     fünfzig oder einundfünfzig Schritte gegangen war, begegnete ihm die Frau Gemeindevorsteher, die es eilig hatte. Im Vorbeigehen
     rief sie: »Peter, ich will zu deinem Vater, ist er zu Haus?«
    Peter nuschelte: »Vater ist aus«, aber die Frau Gemeindevorsteher verstand: »Vater ist zu Haus«, rief: »Schön, dann treffe
     ich ihn ja«, und lief noch schneller.
    Nuschelpeter sah ihr nach. Das ist eine schöne Bescherung, dachte er. Aber ich bin nicht schuld daran.
    Damit ging er weiter und kam zu einer Scheune, die mit Stroh gedeckt war. Auf dem Scheunendach saß der Dachdecker und flickte
     die Löcher mit Stroh aus. Die lange Leiter aber lehnte am Dach. Peter guckte dem Dachdecker eine Weile bei seiner Arbeit zu.
     Plötzlich sah er, wie aus dem Hof der Bulle kam, der sich losgerissen hatte und grade auf die Leiter zulief. Da schrie Nuschelpeter:
     »Paß auf, der Bulle kommt!« Und versteckte sich hinter der Mauer.
    »Was?!« rief der Dachdecker. »Der Olle kommt? Den wollte ich ja grade sprechen!« Und er stieg oben auf die Leiter, indes unten
     der Bulle dagegenstieß. Die Leiter fiel um, der Dachdecker fiel mit und sauste in großem Bogen in einen Lindenbaum, in dem
     er schreiend hängenblieb.
    Als Peter das sah, bekam er es mit der Angst und lief fort. Im Laufen aber dachte er: Das ist eine schöne Bescherung. Aber
     ich bin nicht schuld daran.
    Indem wurde Peter hinter einer Hecke hervor angerufen, und als er hinter die Hecke sah, stand da ein ganz alter Bettler, der
     sagte: »Junge, hast du nicht ein bißchen zu trinken für mich in deinem Topf?«
    Darauf nuschelte Peter: »Im Topf ist bloß Luft.«
    Da rief der Bettler wütend: »Ich bin doch kein Schuft!«
    »Luft! Luft!! Luft!!! Bloße Luft!« rief Peter ängstlich.
    |62| »Schuft! Schuft!! Schuft!!! Hosenschuft!« schrie der Bettler wütend. »Warte, dafür hau ich dich, Junge!«
    Da mußte Peter laufen, und der Bettler lief hinterher.
    Während sie aber liefen, schrie Peter wieder: »Ich habe bloß Luft gesagt!«
    Schrie der

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