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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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schaukelte, knarrte oben der Balken, an dem die Schaukel hing, und das klang wie »Kraax«, und die Ringe
     knirschten in den eisernen Schrauben, und das klang wie »Piep« – und so ging es immer weiter, während Christa schaukelte:
     »Kraax-Piep, Kraax-Piep, Kraax-Piep!«
    Als Christa eine Weile darauf gehorcht hatte, war es ihr plötzlich, als spräche die Schaukel zu ihr. Und schon sagte |70| sie nicht mehr: »Kraax-Piep«, sondern: »Frag Piep! Frag Piep!« Nun hatte Christa wohl schon von andern Kindern gehört, der
     Storch bringe den Müttern ihre Kleinen, aber sie hatte nicht recht daran glauben wollen. Als aber die Schaukel immer wieder
     sagte: »Frag Piep!« – und der Storch ist ja auch ein Pieper, wenn auch ein großer –, da dachte Christa: Ich kann es ja mal
     versuchen und ihn fragen. Nützt es nichts, so schadet es nichts. Und sie stieg aus der Schaukel und ging zur großen Wiese,
     wo der Storch meistens war.
    Richtig spazierte er dort, langsam Bein vor Bein setzend, und von Zeit zu Zeit steckte er seinen spitzen Schnabel ins Gras
     und hob ihn nie ohne einen zappelnden Frosch, den er dann behaglich verschlang. War aber der Frosch besonders groß, oder war
     es gar eine fette Kröte, so flatterte er vor Freude kurz mit den Flügeln und klapperte heftig dazu – das klang so hölzern!
    Christa sah dem Storch eine Weile zu, und es gefiel ihr gar nicht, daß er so die braven Fliegenfänger, die Frösche, aufaß
     und dazu auch noch vergnügt klapperte, was ganz klang, als lache jemand: »Hä! Hä!« Weil sie doch aber gar so gerne ein Brüderchen
     haben wollte, faßte sie sich ein Herz, ging an den Storch heran und sagte den alten Vers her: »Storch, Storch, guter, bring
     einen kleinen Bruder …!«
    Der Storch hob eines von seinen rotlackierten Beinen hoch, sah das kleine Mädchen glupsch von der Seite an, als überlege er
     sich seine Antwort – und plötzlich klapperte er so laut und heftig los, daß Christa vor Schreck einen Satz hinter sich tat.
     Es war wirklich, als lachte sie der Storch mit vielen »Hä-Hä’s« aus, und als sie genau hinhörte, war es ihr, als ob auch die
     kleinen Vögel in den Weidenzweigen, die Lerchen in der Luft und ein Volk Krähen, das grade über sie fortrauschte, in das höhnische
     Lachen des Storches mit einstimmten.
    Da bekam sie vor Scham puterrote Backen, und sie fing an zu laufen, schneller, schneller, immer schneller, und sie |71| hörte nicht eher auf zu laufen, bis sie an dem Acker anlangte, den der Vater mit der Liese und dem Hans pflügte. Der Vater
     sah sein kleines Mädchen an und fragte: »Nun, Christa, wovon hast du denn so rote Backen?«
    Da erzählte ihm Christa ihr Erlebnis mit dem Storch und all den Vögeln, die sie ausgelacht hatten.
    Der Vater sagte darauf: »Da hättest du freilich nicht zum Storch gehen müssen. Daß der die Kindlein bringt, erzählen die Leute
     nur so – aber hast du wohl schon mal die Mutter um ein Brüderchen gefragt?«
    »Ja«, sagte Christa, aber die Mutter habe immer eine Ausrede, mal, daß sie zuviel zu tun habe, mal, daß die Christa nicht
     artig genug sei.
    »Das ist schlimm«, sagte der Vater, »denn wenn die Mutter nicht will, wird es mit dem Brüderchen wohl nichts werden. Aber
     mir fällt etwas ein, Christa. Wir haben doch jetzt den August, und da fallen viele Sterne vom Himmel auf die Erde. Und jeder
     leuchtende Stern ist eine kleine Kinderseele. Da stelle du dich nur heute abend ans Fenster, und siehst du einen Stern fallen,
     so wünsche im stillen, so stark du nur kannst: Komm zu uns, Brüderchen! Wenn du das nur stark genug tust und keinem Menschen
     davon sprichst, werden wir schon ein Brüderchen bekommen. Gefällt dir das, Christa?«
    »Ja, Vater«, sagte Christa nachdenklich. »Aber die Sterne sieht man doch nur fallen, wenn es dunkel ist. Dann muß ich doch
     im Bett liegen und schlafen.«
    »Nun«, sagte der Vater. »Dies eine Mal können wir wohl eine Ausnahme machen. Das werde ich schon vor der Mutter vertreten.
     Jetzt aber muß ich noch eine Weile pflügen. Du kannst hinter mir in der Furche gehen, und wenn du einen Engerling siehst,
     so trittst du ihn tot.«
    »Ja«, sagte Christa, und nun pflügte der Vater noch ein Weilchen. Christa aber trat fünf Engerlinge tot und dachte nach. Als
     der Vater nun die Liese und den Hans ausgespannt |72| hatte, um mit ihnen heimzugehen, setzte er Christa auf die Liese, denn Christa ritt gerne. Da fragte Christa den Vater: »Wohin
     fällt denn der

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