Geschichten von der Bibel
niemandem. Die wenigsten Menschen können das über ihr Tun sagen. Lassen wir ihn. Wenn er etwas braucht, soll er es bekommen.«
Die beiden haben das aber nicht richtig gesehen. Noah hat absichtlich den Bau seiner Arche hinausgezögert. Gott hatte ihm nämlich über den Erzengel Uriel ausrichten lassen, daß er die Flut nicht schicke, ehe die Arche fertig sei.
Noahs Frau Naama hat es wohl sehr schwer gehabt in dieser Zeit, sie hat ihren Mann natürlich auch für einen Spinner gehalten, aber sie war es gewohnt, mit Spinnern umzugehen, schließlich war ihr Vater Henoch, zumindest am Ende seines Lebens, auch ein Spinner gewesen.
Nach zweiundfünfzig Jahren war die Arche fertig. Ein kurioses Ding – wie sein Erbauer. Zusammengenagelt und gestützt und wieder genagelt und wieder gestützt und verstrebt, sah es aus wie ein grauer, vermooster, aber immerhin gewaltiger Holzhaufen. Und die Arche hielt.
»Unter einem Schiff stelle ich mir zwar etwas anderes vor«, sagte Jabal, »aber was soll’s! Das Ding wird zuletzt womöglich sogar schwimmen!«
»Was ja bitte hoffentlich nicht notwendig sein wird«, ergänzte Jubal.
Dann starb der älteste Mensch, Methusalem, er starb im Alter von neunhundertneunundsechzig Jahren.
Da stieg Uriel wieder zu Noah herab und sagte: »So, jetzt ist es soweit. Eine Woche Frist noch. Die Totenfeiern für Methusalem werden eine Woche dauern. Methusalem war ein gottesfürchtiger Mann. Aber nach dieser Woche, wer dann nicht auf deiner Arche ist, der wird untergehen. Sag das den Leuten!«
Noah predigte wieder in den Parks, aber es glaubte ihm niemand, man hatte sich an den Spinner gewöhnt, es kam niemand, um ihm zuzuhören, er predigte den Vögeln und den Eichkätzchen und den streunenden Hunden.
Als die Frist verstrichen war, sagte Uriel: »Wenn niemand kommt, dann ist das Schiff eben nicht für die Menschen gemacht worden.«
»Für wen dann, bitte?« fragte Noah kleinlaut.
»Die Tiere haben dich predigen hören, sie werden dir glauben, sie werden kommen. Führe die Tiere auf die Arche!«
»Tiere?«
»Ja.«
»Was für Tiere denn?«
»Von allen Tieren der Welt zwei Stück, Männlein und Weiblein. Von den reinen Opfertieren aber je sieben Weiblein und sieben Männlein.«
»Ich soll das machen?« rief Noah aus. »Ich habe mich jetzt zweiundfünfzig Jahre zum Esel der Stadt gemacht, also wirklich, und jetzt soll ich die Tiere, alle Tiere, wirklich alle, wirklich alle Tiere der ganzen Welt auf meine Arche führen?«
»Ja, das sollst du! Und Nahrung dazu«, sagte Uriel.
»Nahrung? Ich weiß doch gar nicht, was die Tiere fressen! Was frißt zum Beispiel das Känguruh? Oder das Schnabeltier?«
Uriel versuchte, ihn zu beruhigen: »Du wirst sehen, Noah, es wird dir gelingen. Gott ist mit dir, und jedes Tier hat seinen Schutzengel. Jeder Schutzengel wird sein Tier zu dir führen, und er wird auch die nötige Nahrung mitbringen.«
Und so war es am folgenden Tag bereits: Eine riesenlange Prozession von Tieren stand vor der Arche, von den großen bis zu den kleinen. Und neben jedem Tier stand sein zuständiger Engel mit einem Sack Futter auf dem Rücken.
Noah führte die Tiere in die Arche. Jedes Tier bekam seinen Platz.
Übrigens: Die englische Organisation klappte tadellos. Nur in einem Fall mußte improvisiert werden – beim Floh. Der Floh hatte aus irgendwelchen Gründen keinen Schutzengel, und so hatte niemand für den Floh auf der Arche einen Platz reservieren lassen. Das war für den gerechten Noah allerdings kein Grund, das winzige Tier von der Arche zu jagen. Weil der Floh keinen Schutzengel hatte, hatte er auch keine Nahrung mit sich. Deshalb hat ihm Noah erlaubt, daß er sich in den Haaren der Tiere versteckt und sich vorübergehend vom Blut der Tiere ernährt. Als dann die Sache ausgestanden war, so viel sei verraten, hat sich der Floh an Blut als Nahrung so sehr gewöhnt, daß er dabei blieb.
Als die Tiere verladen waren, ging Noah ein letztes Mal zu seinen Brüdern Jubal und Jabal und sagte: »Hört zu, ich bin vielleicht verrückt, ich bin nicht so klug wie ihr, ich bin nicht so elegant wie ihr, aber glaubt mir, mir ist der Engel Gottes erschienen. Jetzt wird es ernst! Die Welt wird untergehen! Wer nicht auf meinem Schiff ist, der wird sterben. Bitte, kommt! Ihr seid meine Brüder, ihr habt mich immer beschützt, ihr habt mich immer verteidigt, wenn mich die Leute verspottet haben. Kommt!«
Ich glaube, Jubal und Jabal waren beeindruckt. Sie waren beeindruckt von der
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