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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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lassen sich nicht mehr von der Schöpfung beeindrucken. Sie glauben an neue Götter, die eigentlich gar keine Götter sind, und wenn man zu ihnen sagt, das sind keine Götter in Wahrheit, dann ist es ihnen auch egal. Nicht einmal zu ihren falschen Göttern stehen sie. Ich zitiere immer noch den Engel. Und darum will Gott Wasser schicken und alle Welt ersäufen. Nur ich … nur mich nicht … mich nicht und meine Familie nicht … euch wohl auch nicht … ihr seid Familie … davon gehe ich aus … klar … Ich komme zu euch, damit ihr mir vielleicht helft bei diesem Schiffsbau.«
    Jabal und Jubal ließen sich nicht auf eine lange Diskussion mit ihrem Bruder sie.
    Sie sagten: »Du sollst jede Unterstützung von uns haben, wir haben natürlich selber viel zu tun. Du siehst, es sind so viele Menschen, die Wohnungen von uns wollen, Häuser. Wir sind sehr beschäftigt. Aber wir versprechen dir, alles Holz, das wir nicht brauchen, kannst du haben. Aber bauen mußt du die Arche selber.«
    Dann hörten Jabal und Jubal monatelang nichts von ihrem Bruder, bis eines Tages ein Kunde zu ihnen sagte: »Übrigens: Euer Bruder predigt.«
    »Was tut er?« fragten Jabal und Jubal.
    »Er predigt in den Parks der Innenstadt.«
    Die beiden eilten in die Innenstadt, sahen von weitem schon, daß sich die Menschen in einem der Parks drängten. Sie zwängten sich durch die Schaulustigen, da sahen sie Noah auf einer Kiste stehen, und sie hörten ihn reden. Und sie waren fassungslos.
    »Was ist Gott?« hörten sie Noah tremolieren. »Ist Gott unser ewiges Gedächtnis? Ist es wahr, daß die Vergangenheit in der Gegenwart enthalten ist? Dann können wir, wenn wir einen Tisch anschauen, den Baum erkennen, aus dem der Tisch gemacht ist? Ja? Heißt das, daß alles, was wir für vergangen halten, gar nicht vergangen ist? Aber wenn es so ist, dann ist in jedem Tautropfen alles enthalten, was je war …«
    Hier sprach ihr Bruder Noah? Jabal und Jubal konnten es nicht glauben. Derselbe Noah, der kaum in der Lage war, in einem Frühstückscafé ein Butterbrot zu bestellen, ohne zu stammeln. Und hier sprach er mit Verve, vielleicht ein wenig zu laut, aber dafür desto mitreißender. Ja, er riß die Menschen mit.
    Und Jabal und Jubal sagten sich: »Also, wir wissen doch, daß unser Bruder eigentlich irgendwie dumm ist, seien wir ehrlich, vielleicht nicht dumm in einem bösen, ordinären Sinn, aber ganz bestimmt nicht gebildet, auf jeden Fall irgendwie nicht richtig unterm Scheitel. Ganz bestimmt aber ist er kein rhetorisches Genie. Was ist da geschehen?«
    Hier die Antwort: Der Erzengel Uriel hatte Noah ein zweites Mal besucht und zu ihm gesagt: »Dein Schiff soll für alle sein.«
    »Aha, für alle«, sagte Noah. »Also nicht nur für mich und meine Familie … im weitesten Sinn …«
    »Nein«, sagte Uriel, »Gott hat beschlossen, er will alle retten, die sich zu ihm bekehren. Hast du verstanden?«
    »Mhm.«
    »Und du sollst den Menschen von Bekehrung predigen!«
    Da sagte Noah: »Warum ausgerechnet ich? Ich bin doch einer der Dümmsten. Ich kann nicht reden, wie soll ich den Leuten von Bekehrung predigen? Hätte ich nicht einfach weiterleben können wie bisher? Warum plötzlich so ein Theater um meine Person? Ich weiß nichts, was soll ich den Leuten denn predigen, ich weiß nichts über die Wunder der Schöpfung, gar nichts weiß ich. Ich weiß nicht einmal, wie ein Dosenöffner funktioniert.«
    Da legte Uriel seine Engelshand auf Noahs Stirn, und durch die Hand hindurch fegte ein Stromstoß. Es war so, wie wenn man etwas von einer Festplatte herunterlädt, genauso ist das gesamte Wissen der Menschheit mit einem Schlag durch die Hand des Engels in das Gehirn des Noah gefahren, »Gott«, sagte Noah, »jetzt weiß ich alles! Und doch ist alles gleich wie vorher. Was soll ich damit?«
    »Sag den Menschen die Wahrheit über sie selbst«, sagte der Engel.
    Damals war es nicht viel anders als heute: Alles zu wissen ist kurios. Einer, der alles weiß, ist ein Spinner. Noah war ein Kuriosum in den Parks der Stadt. Er stand da und hatte das Buch Henoch in der Hand und schüttelte es. Öffnete es aber nicht, war nicht nötig, er kannte den Inhalt auswendig. Er verkrampfte sich beim Reden, das Kinn reckte er in die Luft. Hochrot im Gesicht brüllte er am Ende seiner philosophischen Ausführungen seine Botschaft hinauf in die Blätter der Parkbäume, die seine Brüder gepflanzt hatten.
    »Bessert euch! Bessert euch doch! Bessert euch doch endlich, bitte!«
    Und

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