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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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müssen.«
    Jakob wollte ehrlich sein. Sein schlechtes Gewissen drückte ihn – die Erinnerung an seinen Bruder Esau, den er betrogen hatte.
    Also ging er zu Laban und sagte: »Schau, Laban, was nützt es dir, wenn du einen Schwiegersohn hast, der überhaupt nichts besitzt? Erlaube mir, daß ich mir selbst eine Herde gründe!«
    Laban sagte: »Wie willst du das machen? Soll ich dir etwas schenken? Das tu ich nicht!«
    »Du brauchst mir nichts zu schenken«, sagte Jakob. »Machen wir es so: Wenn ich einen Widder erwische, der sich zum Beispiel ein Bein gebrochen hat, vielleicht kann ich mich um ihn kümmern, es soll von meiner freien Zeit abgehen. Vielleicht bekomme ich ihn wieder hoch. Der soll mir gehören. Oder aber, wenn du ein Festessen gibst, dann werde ich nicht mitessen, ich werde nichts zu mir nehmen, ich werde eine Woche lang hungern. Aber dafür schenk mir ein Lamm, oder schenk mir ein weibliches Schaf, damit ich es mit dem Widder zusammenführen kann!«
    Da lachte Laban und sagte: »Ach, du bist ein Narr! Du willst eine Zweitierherde gründen! Ein lahmer Widder und ein Lamm aus der Küche! Bitte, gern!«
    Jakob tat es. Er ging dabei ein wenig unlauter vor, das muß zugegeben werden. Er nahm einen Widder und brach ihm ein Bein, und er nahm den stärksten Widder, und er knickte das Bein nur. Und er half ihm wieder hoch. Das Schaf, das bei einem Fest geschlachtet werden sollte, das suchte er selbst aus. Und er nahm das schönste weibliche Schaf. Mit diesen beiden, dem Widder und dem Schaf, begründete er seine Herde. Dann war da ein Dieb, der gesteinigt hätte werden sollen, den nahm er zu sich und rettete ihm das Leben, und der war ihm sehr dankbar und arbeitete für ihn. So gewann Jakob immer mehr für sich.
    Jakob konnte sich sehr wohl in einen Betrüger hineinversetzen. Darum wurde er immer unruhiger, je näher das ausgemachte Ende seiner Dienstzeit rückte. Laban wird versuchen, mir eine andere Frau unterzuschieben, dachte er. Es war Brauch, daß Braut und Bräutigam ihre erste Nacht ohne Licht verbrachten. Deshalb machte Jakob mit Rahel ein Zeichen aus.
    Er sagte zu ihr: »Paß auf, wenn du in unserer Hochzeitsnacht zu mir ins Zelt kommst, dann halte mich zuerst an meiner rechten großen Zehe fest, dann an meinem rechten Daumen, und am Schluß zwickst du mich in mein linkes Ohrläppchen. Das soll unser geheimes Zeichen sein.«
    Und dann waren die sieben Jahre um. Jakob hatte die Wirtschaft des Laban in die Höhe gebracht, und er hatte auch für sich selber gesorgt. Er hatte eine kleine, aber zukunftsfrohe Herde aufgebaut.
    Laban stand vor Jakob, und Jakob stand vor Laban, und Jakob sagte: »Nun gib mir deine Tochter Rahel. Du bist durch mich reich geworden. Nun halte du dein Versprechen!«
    Und Laban sagte: »Ich sehe keinen Grund, warum ich mein Versprechen nicht einhalten sollte.«
    Dann war Hochzeitsnacht, und Jakob wartete im Zelt. Das Zelt war gemäß dem Brauch vollkommen abgedunkelt. In der Hochzeitsnacht sollten sich Mann und Frau nicht sehen. Und dann öffnete sich das Zelt kurz, und eine weibliche Gestalt schlüpfte herein, das Gesicht verschleiert.
    Jakob sagte: »Bist es du, Rahel?«
    Die Frau flüsterte: »Ja, ich bin es. Ich bin es, Rahel.«
    Jakob sagte: »Warum flüsterst du?«
    Sie sagte: »Weil das schöner ist, wenn ich flüstere.«
    Sie berührte seine rechte große Zehe, dann seinen rechten Daumen, dann zwickte sie ihn in sein linkes Ohrläppchen. Das konnte nur Rahel sein! Jakob streichelte sie. Er hielt ihre Hände. Er legte seine Hände an ihr Gesicht, und er fühlte mit den Fingern, daß sie weinte.
    »Warum weinst du?« fragte er.
    Sie gab zur Antwort: »Vor Glück weine ich.«
    Es war eine große Liebe in dieser Nacht. Die beiden umarmten sich, ließen einander nicht los, aber immer weinte sie.
    Und immer wieder fragte Jakob: »Warum weinst du?«
    Und immer wieder flüsterte sie: »Vor Glück weine ich.«
    Am nächsten Morgen wollte er, daß sie gemeinsam vor das Zelt treten, um den Sonnenaufgang zu sehen. Aber sie wollte nicht. Da öffnete Jakob das Zelt, und er sah, es war nicht Rahel, die bei ihm gelegen hatte in seiner Hochzeitsnacht. Es war Lea. Da wurde Jakob ungeheuer wütend, er wollte Lea verfluchen.
    Er sagte: »Du hast mich betrogen! Um meine Liebe hast du mich betrogen! Was gibt es Schlimmeres auf Erden!«
    Und Lea weinte. Aber sie weinte gar nicht, ihre Augen tränten wegen der ewigen Entzündung.
    Sie sagte: »Mein Vater, Laban, mein Vater, hat mich dazu

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