Geschichten von der Bibel
ihn, und nur die schlechten Knechte blieben zurück.
»Das schlimmste ist, Laban hält seine Versprechen nicht«, sagten die einen.
Als Jakob bei Laban zu arbeiten anfing, da lag die Wirtschaft dieses Mannes darnieder.
»Jeder hat mich betrogen«, jammerte Laban. »Man hat meine Fähigkeiten und meine Gutmütigkeit ausgenützt. Jetzt schau dir das an!«
»Das schlimmste an Laban ist sein Selbstmitleid«, sagten andere.
Dritte sagten: »Er ist ein Betrüger.«
Und die ihn gar nicht leiden konnten, sagten: »Laban ist ein Teufel.«
Alle haben sie recht, sagte sich Jakob, die einen wie die anderen.
»Wer weiß«, sagte Laban, »wenn du meine Wirtschaft wieder auf Touren kriegst, vielleicht mußt du dann gar nicht sieben Jahre warten und dienen …«
Und er zwinkerte Jakob zu. Jakob ließ sich alles zeigen, die Viehherden, die Ställe, die Weiden, die Äcker, das Gesinde, den Haushalt. Er sah, daß alles noch viel schlimmer war, als es den Anschein gehabt hatte. Hier etwas zu verändern, zum Besseren zu verändern, würde großer Anstrengungen bedürfen. Aber Jakob wußte ja, für wen er das alles tat – für Rahel.
Laban achtete darauf, daß Rahel und Jakob sich nicht unbeobachtet trafen. Aber natürlich fanden die beiden Wege, ein bißchen ungestörte Zeit für sich zu gewinnen. Und sie machten Zeichen aus.
»Wenn ich heute das Essen lobe«, sagte Jakob, »dann heißt das, daß ich dich liebe.«
Rahel verfügte durchaus über einen spitzen Humor. So riskierte sie einen Krach mit ihrem Vater und den anderen Mitgliedern der Familie, indem sie etwas Ungenießbares kochte. Und sie genoß es, wenn Jakob unter mühsamem Lächeln sagte: »Ich finde das Essen hervorragend.«
Aber als dann die Zeit lang wurde, als ein Jahr vergangen war, als zwei Jahre vergangen waren, drei Jahre, da verlor Rahel allmählich ihren Humor, und in ihren geheimen halben Stunden saßen die beiden nur noch beieinander, umarmten sich, küßten sich, machten einander Mut.
»Wenn es nur erst soweit ist«, seufzte Rahel.
»Wenn es nur erst soweit ist«, seufzte Jakob.
Alle anderen Sätze waren längst gesagt.
Jakob war inzwischen zum Verwalter der Wirtschaft aufgestiegen. Und er war erfolgreich. Sehr erfolgreich. Die Nachbarn hatten Vertrauen gewonnen. Die Händler mieden den Hof nicht mehr. Schon wurden wieder Vorschüsse und Kredite gegeben. Und als vier Jahre vergangen waren, hatte sich Labans Wirtschaft nicht nur konsolidiert, sie war gewachsen. Jakob hatte Land dazugekauft, die Herden hatten sich vergrößert, und die Erträge waren kräftig gestiegen.
Da trat Jakob vor Laban: »Du hast mir eine Verkürzung der Frist in Aussicht gestellt. Ich habe mehr geleistet in diesen fünf Jahren, als die Experten für möglich gehalten haben. Nun halte du dein Versprechen, und gib mir Rahel.«
»Das will ich«, sagte Laban. »Versprechen gegen Versprechen.«
»Das ist gut«, sagte Jakob. »Ich habe versprochen, deine Geschäfte erfolgreich zu führen, du hast mir dafür deine Tochter versprochen.«
»Und dein Großvater hat mir für deine Mutter mehr versprochen, als er gehalten hat. Es wird dir ein leichtes sein, Jakob, die Schuld deines Großvaters Abraham in drei Jahren abzutragen. Dann liegst du immer noch innerhalb der Frist, die wir beide ausgemacht haben.«
»Nein«, sagte Jakob, »ich habe dir längst mehr erarbeitet, als dir Abraham schuldet. Ruf deine Söhne herbei, frag sie!«
Und so geschah es. Laban rief seine Söhne. Hat sich Laban in diesen Jahren denn nicht um seine Wirtschaft gekümmert? Nein, hat er nicht. Er hat alle Verantwortung auf Jakob übertragen und hat es sich selber gutgehen lassen.
»Es hat uns ja anfangs geärgert, daß du einem Fremden dein Vertrauen geschenkt hast und nicht uns«, sagten die Söhne. »Aber inzwischen müssen wir zugeben, wir hätten es nicht so gut gekonnt, lange nicht so gut.«
Sie führten ihren Vater durch die Ställe, durch die Scheunen, durch die Keller, führten ihn hinaus auf die Weiden, zeigten ihm alles, die vielen kräftigen Kälber, die mächtigen Bullen, die trächtigen Muttertiere, die Schafe und Lämmer, die Ziegen mit den prallen Eutern, die hochmütigen Kamele, das Geflügel. Laban war beeindruckt. Nicht im Traum hätte er sich vorstellen können, daß er so reich sein könnte, wie er tatsächlich war. Und das alles hatte er seinem Verwalter zu verdanken.
»Ich habe dich zum reichsten Mann des Landes gemacht«, sagte Jakob und holte mächtig aus: »Mach du mich zum
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