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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Dann wird er zu einem Kunstwerk und wird mehr als das Doppelte bringen.«
    Da wollte der Mann Josefs Hand küssen. Aber Josef wehrte ab.
    »Es ist nur ein Ratschlag«, sagte er, »mehr nicht. Küsse deiner Frau die Hände, wenn sie ihre Arbeit getan hat!«
    Das führte dazu, daß auch die Frau von nun an nur das Beste über Josef sagte.
    So gewann Josef die Herzen der Menschen, die zu dieser Karawane gehörten. Und er gewann auch die Herzen der Menschen, mit denen sie Handel trieben. Denn er war der Meinung, daß Betrug zwar einen kurzfristigen Profit bringt, langfristig aber jedes Geschäft ruiniert. Diese Lehre hatte er von seinem Vater Jakob erhalten. Der hatte ihm von Laban erzählt, Josefs Großvater, der seine Wirtschaft durch Betrug und kurzsichtigen Profit ruiniert hatte.
    Nein, der Führer der Karawane behandelte Josef längst nicht mehr wie einen Sklaven. Nie hatte er einen besseren Ratgeber gehabt. Josef, der Träumer, hatte sich zu einem brillanten Geschäftsmann entwickelt, zu einem Mann von Welt.
    Vor Ägypten hatten die Nomaden Angst. Nicht daß sie fürchteten, man werde ihnen dort etwas antun.
    Man fürchtete, man werde sich dort blamieren, man werde ausgelacht – Kuhtreiber, Schafbauer, Provinzler, Stinker … Die ägyptischen Behörden waren arrogant, ließen die Karawanenhändler stundenlang, tagelang, manchmal wochenlang an der Grenze warten, verlangten Papiere, wo die meisten dieser Leute doch gar nicht lesen und schreiben konnten. Ließen am einen Tag durchblicken, man sei durchaus bereit, »Geschenke« entgegenzunehmen, machten am anderen Tag Lärm, weil man angeblich versucht habe, sie zu bestechen.
    Ägypten war die große Welt, und auch wenn ein stolzer Anführer einer stolzen Karawane draußen in der Wüste ein König war, hier auf ägyptischem Boden war er ein Nichts, ein Garnichts.
    »Hier mußt du zeigen, was du wirklich kannst«, sagte der alte Führer zu Josef.
    »Es sind Menschen«, sagte Josef.
    »Ja, das weiß ich auch! Aber das ist es ja gerade! Wenn es Bäume wären, hätte ich keine Angst vor ihnen. Du hast keine Ahnung, was Menschen anderen Menschen antun können!«
    Da schwieg Josef.
    Josef führte die Verhandlungen mit den Grenzwachen so geschickt, daß die Karawane nach wenigen Stunden die Grenze passiere durfte. Außerdem hatte Josef einen Offizier zu einem Empfehlungsschreiben zu überreden vermocht, das den, der es vorwies, berechtigte, seine Waren nicht nur auf dem Markt der Hauptstadt, sondern auch in den Wohnbezirken der hohen Staatsbeamten anzubieten.
    »Wie hast du das fertiggebracht?« fragte der Alte.
    »Ich habe dem Offizier von unseren schönsten Waren erzählt«, sagte Josef, »und ich habe so begeistert erzählt, daß er sie kaufen wollte, alle, und dann habe ich ihm den Preis für die Waren genannt, der sehr hoch war, viel zu hoch, jedenfalls für sein Einkommen, obwohl ich ja weiß, daß so ein Offizier viel verdient, und das hat einen solchen Eindruck auf ihn gemacht, daß er zur Auffassung kam, diese Waren seien zu schade, um auf dem Markt angeboten zu werden, und er mir, ohne daß ich ihn darum gebeten hätte, dieses Empfehlungsschreiben ausstellte.«
    Noch ein zweites Empfehlungsschreiben hatte der Offizier ausgestellt: eines für Josef.
    »Dieses Schreiben«, sagte Josef, »ist an einen gewissen Potifar adressiert. Er sei der Oberste der Leibwache des Pharaos. Oder etwas Ähnliches.«
    »Und was steht in diesem Schreiben?« fragte der Alte. Er konnte nämlich nicht lesen und nicht schreiben.
    »Es betrifft mich«, sagte Josef, »mich als Ware.«
    »Was heißt das? Du bist doch keine Ware!«
    »O doch«, sagte Josef und senkte seinen Blick. »Das bin ich doch. Ich bin dein Sklave. Auch wenn du mich nicht wie einen Sklaven behandelst. Was ich einzig deiner Güte verdanke.«
    »Und was steht in dem Schreiben?«
    »Wenn du mich an diesen Potifar verkaufst, wirst du sehr viel Geld bekommen.«
    »Ich dich verkaufen! Niemals!« rief da der Alte.
    Josef sagte nichts weiter dazu.
    Aber dann, als sie in der Hauptstadt ankamen, setzte sich der Alte doch mit diesem Potifar in Verbindung, und das Angebot, das dieser mächtige Mann dem alten Händler unterbreitete, nachdem er das Empfehlungsschreiben gelesen hatte, war so überwältigend, daß der Alte in Tränen ausbrach und Josef zugleich umarmte und auf ihn fluchte.
    »Das werde ich dir nie verzeihen!« rief er. »Daß du dich auf so geschickte Weise zu empfehlen verstehst, so daß man mir ein Angebot

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