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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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verkaufen, irgendwo in Ägypten werden sie ihn verkaufen, und sie werden ihn in ein Bordell stecken!«
    »Na und?« sagten die anderen. »Er hat uns das Leben zur Hölle gemacht in den letzten Jahren. Dann soll er sehen, wie er weiterkommt. Er glaubt ja, er sei etwas Besonderes und Gott führt ihn, dann wird er es jetzt sehen!«
    »Was sollen wir unserem Vater sagen?« jammerte Ruben. »Unserem Vater wird das Herz brechen!«
    Sie nahmen Josefs Kleid, dieses schöne, geschmückte Kleid, töteten ein Schaf, tunkten das Kleid in das Blut.
    »Wir werden unserem Vater diese Fetzen zeigen und sagen, das haben wir gefunden. Ein Löwe hat Josef zerrissen.«
    Das machten sie aus.
    Josef zog mit der Karawane, und dann kreuzte eine andere Karawane ihren Weg, und Josef wurde verkauft. Sein neuer Herr war ein alter, gutmütiger, warmherziger Mann, er hatte nicht vor, Josef an ein Bordell zu verkaufen. Er sah, daß Josef geschickt war, daß man ihn brauchen konnte, weil er gut rechnen konnte. Jeder Kaufmann kann einen guten Rechner brauchen.
    Josef organisierte die geschäftlichen Angelegenheiten, er hatte eine korrekte Handschrift. Er wehrte sich nicht gegen sein Schicksal, er war zufrieden mit allem, was mit ihm geschah.
    »Was wünschst du dir?« fragte ihn sein Herr. »Du hast mir eine schöne Abrechnung gemacht und mir damit viel Geld verschafft. Ich will dich daran teilhaben lassen.«
    Einen Wunsch hatte Josef: Er wollte, daß man ihm einen Schleier gibt, wie einer Frau.
    »Ich weiß, daß mein Gesicht schön ist«, sagte er, »und dieses schöne Gesicht hat mir viel Unglück gebracht. Mir und auch anderen. Ich möchte nicht, daß jemand mein Gesicht sieht.«
    Der Führer der Karawane war damit einverstanden, und er hat Josef einen Schleier gegeben. So zogen sie weiter.
    Als die Brüder nach Hause kamen, traten sie vor Jakob hin und sagten: »Dieses Kleid hier, von dem nur noch Fetzen übrig sind, kennst du das?«
    Jakob sagte: »Wo habt ihr das her?«
    »Wir haben es gefunden.«
    Jakob brach zusammen. Weinte. Heulte: »Nun hat mir das Schicksal das Liebste genommen! Ein wildes Tier hat meinen Sohn zerrissen.«
    Er befahl seinen Söhnen, das erste wilde Tier, das ihnen in die Finger kam, zu fangen und ihm zu bringen, denn er wollte es töten. Die Brüder dachten, er ist verrückt geworden, der Alte. Aber sie wagten es nicht, ihm zu widersprechen. Sie fingen einen Wolf. Schon wollte sich Jakob auf das Tier stürzen, da begann der Wolf zu sprechen.
    »Was willst du von mir?« sagte er. »Ich habe mein Junges verloren, so wie du dein Junges verloren hast. Ich bin hinaus in die Wüste gelaufen, um es zu suchen, und ich habe es nicht wiedergefunden, so wie du dein Junges nicht wiedergefunden hast. Laß uns weinen, aber töte mich nicht.«
    Da umarmte Jakob den Wolf.

JOSEF IN ÄGYPTEN
    Von den langen Wegen des Handels – Von trefflichen Papieren – Von Potifar – Vom Hofgeometer – Von Suleika und ihrer Leidenschaft – Von Jahren im Gefängnis – Von einem Bäcker und einem Mundschenk – Von den Träumen des Pharaos – Von sieben fetten und sieben mageren Jahren
     
    Es dauerte Jahre, bis die Karawane nach Ägypten kam. Man ließ sich Zeit. Wo es gut war, blieb man. Manchmal ein halbes Jahr. Man trieb Handel. In einer Stadt im Osten erwarb man günstig fünfzehn Sack Hirse. Die wurden im Westen gebraucht. Also wieder zurück. Und dann nach Süden. Und dann nach Norden. Käufer und Verkäufer gaben die Richtung an.
    Josef war kein Sklave mehr, das heißt, er war zwar immer noch das Eigentum des Anführers, aber der behandelte ihn nicht wie einen Sklaven, ganz im Gegenteil, er behandelte ihn wie seinen Ratgeber, seinen Freund, mit allem Respekt.
    Und alle Männer und alle Frauen in der Karawane hatten Respekt vor Josef zu haben, sie näherten sich ihm nicht, ohne sich vor ihm zu verbeugen. Das hatte der alte Mann, der der Karawane vorstand, so befohlen. Und er wußte warum.
    Einmal in der Woche hielt Josef so etwas wie eine Sprechstunde für die Mitglieder der Karawane ab. Da kamen die Leute, fragten um Rat.
    »Sieh dir diesen Kelch an, Josef«, sagte einer. »Ich habe ihn teuer in der Stadt erstanden. Der Verkäufer sagte, ich könne ihn für das Doppelte weiterverkaufen.«
    »Du bist betrogen worden«, gab Josef zur Antwort. »Er ist nicht die Hälfte wert. Du hättest mich gleich fragen sollen.«
    »Und was mache ich jetzt?«
    »Gib ihn deiner Frau. Ich weiß, sie ist sehr geschickt. Sie soll bunte Steine einarbeiten.

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