Geschlossene Gesellschaft
ich auch nur ein zweites Mal klopfen konnte, öffnete sie schon die Tür.
Zuerst fanden wir beide keine Worte. Ein Nicken, ein Zwinkern der Augen, bebende Lippen. Dann trat sie zurück, und ich ging hinein. Sie trug das schwarze Kleid, das ich zuletzt an ihr gesehen hatte, als ich den Amber Court nach den Verhören verlassen hatte. Falsche Klagen waren zu heimlicher Trauer geworden. Ein Vorwand hatte einen anderen erzeugt. Sie würde wissen wollen, wer ihn getötet hatte. Sie würde begreifen wollen. Aber durfte ich ihr das erlauben?
»Du hast die Unterlagen nicht mitgebracht?« wollte sie wissen und schaute mich finster an.
»Nein. Ich... Wir müssen vorsichtig sein.« Ich schaute weg. »Hat Quincy dir erzählt, was im Phoenix Park geschehen ist?«
»Ja. Aber nicht, warum du Papa allein getroffen hast. Und auch nicht, warum du zugelassen hast, dass ich ... so von seinem Tod erfahren musste.«
»Ich bin allein hingegangen, weil dein Vater darauf bestanden hat. Und ich bin anschließend nicht zurückgekommen, weil Faraday gesagt hatte, du wärest seine Agentin gewesen.«
»Er hat gelogen.«
»Ja. Das weiß ich mittlerweile auch.«
»Und woher wusste Papa überhaupt, dass du in Dublin warst?«
»Ich... ich weiß es nicht genau.« Ihr Stirnrunzeln verstärkte sich. »Vielleicht hat er das Shelbourne beobachtet. Möglicherweise...« Verwirrt von der Unangemessenheit meiner Worte, zog ich den Brief heraus und reichte ihn ihr. »Er hat mich gebeten, dir das hier zu geben. Es tut mir leid, dass das alles so... Ich konnte es nicht verhindern.«
Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken und glättete den Brief auf ihrem Schoß. Während der Zeit, die sie brauchte, um die Nachricht ihres Vaters zu lesen, schien sie meine Gegenwart vollkommen vergessen zu haben. Ich ging zum Fenster und schaute auf den grauen Horizont hinaus. Minuten verstrichen. Dann spürte ich, dass sie fertig war, und drehte mich um. Sie schaute mich direkt an. »Hast du das gelesen?« Ihre Augen wurden schmal, als ihre Ungläubigkeit in Misstrauen umschlug.
»Ja, das habe ich.«
»Es ist kein Geld übrig?«
»Offenbar überhaupt keins.«
»Aber...« Sie starrte auf den Brief. »Warum?«
»Du weißt, warum, Diana. Du willst es nur nicht glauben.«
»Das ist nicht wahr. Ich...« Ihr Blick richtete sich wieder auf mich. »Sag es mir jetzt. Wer hat ihn betrogen? Woher wussten sie, dass er in Dublin war?«
»Sag du mir erst etwas anderes. Und beantworte die Frage, die dein Vater in diesem Brief gestellt hat. Wolltest du Max töten?«
»Selbstverständlich nicht. Ich habe...«
»Lüg mich nicht so gedankenlos an«, schrie ich. Plötzlich wurde ich wütend. »Überlege dir, was du sagst. Hattest du vor, ihn zu töten?«
»Du glaubst offenbar, dass ich es getan habe, Guy. Was ich sage, spielt also überhaupt keine Rolle.«
»Ich will die Wahrheit wissen.«
»Ich habe dir die Wahrheit schon gesagt.«
»Hast du das?«
»Verschiedene Male. Ich weiß nur nicht, ob du zugehört hast.«
»Was soll das heißen? Ja oder nein?«
»Das bedeutet, dass ich es satt habe, meine früheren Taten zu rechtfertigen.« Sie errötete. »Vor allem dir gegenüber.«
»Ja oder nein?«
Sie stand auf, ließ den Brief auf einen Tisch neben ihrem Stuhl fallen und strich sich mit der Hand die Hüfte entlang. Unsere Blicke begegneten sich, wichen einander aus, kehrten wieder zurück. Es gab keine Antwort. Es würde niemals eine geben. Sie atmete schwer, während sie versuchte, mich auszutricksen. Aber ihr Verstand arbeitete in die falsche Richtung. »Wo sind die Unterlagen?« fragte sie unvermittelt. »Ich habe ein Recht darauf, sie zu sehen.« Damit war die Sache entschieden. Lüge gegen Lüge. Im Stillen wünschte ich ihr alles Gute für die betrügerische Zukunft, zu der sie sich entschieden hatte. »Ich will sie jetzt sehen.«
»Manche Dinge, die du haben möchtest, kannst du nicht bekommen«, erwiderte ich lächelnd. »Ich habe sie Faraday verkauft. Sie sind weg. Für immer. Wie das Geld deines Vaters.«
»Was?«
»Ich habe sie verkauft. Es war ein Geschäft, und ich habe einen Gewinn gemacht. Wenn ich unsere Abmachung eingehalten hätte, wäre nichts dabei herausgesprungen, nicht wahr? Sobald ich den Brief gelesen hatte, ist mir das klar geworden. Deshalb habe ich ihn angewidert zusammengeknüllt. Ich musste mich anderweitig umsehen, Diana, das kannst du sicher verstehen.« Eine seltsame Befriedigung überkam mich, als ich mir diese Lüge ausdachte. Warum
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