Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
hat mich niemand gesehen. Ich bin zurück zum Auto gelaufen und hab auf Petermann gewartet. Nach ein paar Minuten kam er auch. Ich hab nach dem Video gefragt. Er hat gesagt, das wär nicht mehr so wichtig, der Hagebusch könnte sein Gift jetzt sowieso nicht mehr verspritzen.«
»Gleich haben wir es geschafft«, beruhigte Angermüller den Mann, der vor Anspannung immer schwerer atmete.
»Wie ging es dann weiter, Herr Oswald?«
»Wir haben Overalls, Stiefel und alles ausgezogen und in einen blauen Müllsack gesteckt, auch den Rucksack und die leeren Dosen. Aus dem Handy von dem Mann hat der Petermann gleich den Akku rausgenommen und es auch zum Müll gepackt. Dann sind wir zu meinem abgestellten Auto gefahren und haben uns getrennt. Petermann ist nach Hannover weiter.«
»Wann war das?«
»So bei elf rum, denk ich. Den Müllsack wollte er unterwegs auf der Autobahn entsorgen. Ich bräuchte nich die Büx voll haben, hat er noch gemeint. Er hätte sich alles gut überlegt. Die Polizei würde sowieso denken, die Tierschützer waren das.«
Er ließ den Kopf hängen und sagte leise: »Ich bin dann nach Hause gefahren.«
»Hatten Sie nach dem Abend noch weiteren Kontakt zu Petermann?«
Oswald nickte.
»Ja. Nachdem Dienstagnacht wieder diese Tierschützer bei uns randaliert haben, da wollte ich natürlich, dass er mir hilft, aber er kam später aus Hannover zurück als geplant. Ich dachte schon, er wäre sonst wohin abgehauen. Das war am Mittwoch, als Sie beim alten Petermann waren. Ich hab seinen Sohn an dem Abend noch getroffen. Er sagte, er könne mir auch nicht helfen. Ich sollte immer dran denken, dass ich in der Sache genauso drin hänge wie er und ja keinem Menschen was davon erzählen. Und ich sollte ihn gefälligst in Ruhe lassen. Zu enger Kontakt zwischen uns, das würde nur auffallen.«
»Und da haben Sie sich daran gehalten?«
»Ja. So lange, bis heute dieser Anwalt bei mir angerufen hat und dann auch noch Sie zu mir auf den Hof gekommen sind. Da habe ich ihn angerufen und ein Treffen verlangt. Und den Rest kennen Sie ja.«
Jan Otto Oswald verbarg sein Gesicht in beiden Händen, ob vor Scham oder Verzweiflung war nicht auszumachen. Wie er da so saß, in seiner alten Arbeitshose, dem verfilzten Pullover und den dreckigen Arbeitsschuhen, völlig in sich zusammengesunken, war nichts mehr von dem kräftigen Landmann übrig, den die Beamten vor ein paar Tagen kennengelernt hatten. Schließlich hob er seinen Kopf.
»Bitte, glauben Sie mir«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Ich hab das wirklich nicht so gewollt. Ich dachte nur an meinen Hof und meine Familie und hab dem Petermann geglaubt, dass wir dem Mann nur einen Schrecken einjagen und ihm dieses verdammte Video wegnehmen. Ich hab da vorher überhaupt nicht über nachgedacht, wie das alles gehen soll.«
Die Beamten hörten ihm geduldig zu.
»Ich war so dumm. Ich dachte, danach wird alles besser, ich rette meinen Hof, kann für meine Familie sorgen«, er schüttelte wieder seinen Kopf. »Und jetzt?«
Weder Angermüller noch Jansen konnten ihm diese Frage beantworten, aber Oswald schien gar keine Antwort zu erwarten. Der Erleichterung, endlich alles losgeworden zu sein, was sein Gewissen über die Grenze des Erträglichen belastet hatte, schien jetzt die Ernüchterung zu folgen. Als man ihm seine Festnahme verkündete, da er der Beihilfe zu einem Mord dringend verdächtig sei, sank er nur kraftlos in sich zusammen. Die Kommissare veranlassten seine Vorführung vor dem Haftrichter, und Angermüller wies die Kollegen eindringlich auf die erhöhte Suizidgefahr bei dem Festgenommenen hin.
Petermanns Alibi erwies sich bei erneuter Überprüfung als perfekt zusammengebastelt. Einen längeren Stau hatte die Verkehrspolizei auf der Strecke nach Hannover um die angegebene Uhrzeit nicht verzeichnet, und ins Hotel hatte er eine Stunde später eingecheckt als behauptet. Dass seine Frau, die ohnehin nur an sich selbst interessiert war, einfach seine Angaben irgendwie bestätigen würde, davon hatte er ausgehen können. Nachdem Oswald den Beamten erste Hinweise auf die Tat und Petermann gegeben hatte, noch auf dem Weg in die Bezirkskriminalinspektion, hatte Jansen bereits die Fahndung nach dem Juniorchef der Feinkostmanufaktur einleiten lassen. Auch Flughäfen und Grenzen sollten überwacht werden, da die Beamten davon ausgingen, dass die angebliche Geschäftsreise nur eine getarnte Flucht darstellte. Vorläufig war die Suche nach Petermann allerdings erfolglos
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