Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
ich da vorhin alles geredet habe«, murmelte er und senkte dabei wieder seinen Blick. In dem Moment merkte Angermüller ganz deutlich, dass er den richtigen Punkt getroffen hatte.
»So weit ich mich erinnere, haben Sie gesagt, der Petermann würde vor nix zurückschrecken. Was genau haben Sie damit gemeint?«, bohrte er nach. Frau Oswald und der Junge folgten wie gebannt dem Geschehen. Wahrscheinlich verstanden sie gar nicht, was die Polizisten hier eigentlich wollten. Auch Jansen war nicht entgangen, dass Angermüller etwas angestoßen hatte, und beobachtete höchst gespannt, wie Oswald sich unter den forschenden Fragen seines Kollegen wand.
Es schien eine Ewigkeit vergangen, da bat der Bauer plötzlich: »Ich würde Sie gern einmal allein sprechen.«
Den Blickkontakt zu seinen Angehörigen vermied Oswald dabei. Als Frau und Sohn die Küche verlassen hatten, ziemlich verunsichert und durcheinander, hielt er dem Kriminalhauptkommissar auf einmal seine Hände entgegen.
Natürlich hatte Angermüller etwas geahnt, als er begonnen hatte, dieser Fährte nachzugehen, als er genau wissen wollte, was Oswald denn so Abstoßendes mit Petermann erlebt hatte. Aber dass dieser Weg so schnell ans Ziel führen würde, hatte er bestimmt nicht geglaubt. Deshalb verstand er im ersten Moment gar nicht so richtig, was der Mann von ihm wollte, bis der auf einmal sagte: »Und jetzt können Sie mich verhaften.«
Eine Stunde später saßen sie zu dritt in einem der Vernehmungsräume im siebten Stock der Lübecker Bezirkskriminalinspektion. Jan Otto Oswald wollte reden. Er hielt den Druck einfach nicht mehr aus. Er schien direkt erleichtert, nun in Angermüller und Jansen geduldige Zuhörer für seine Geschichte gefunden zu haben.
»Nach dem ersten Überfall von diesen Tierschützern hat Petermann mir eröffnet, dass er mit mir nicht mehr zusammenarbeiten kann, wenn so was noch einmal vorkommt. Schließlich hätte seine Firma einen Ruf zu verlieren, und er könne seine Rohware von keinem Geflügelhof beziehen, der mit unsauberen Produktionsmethoden und Tierquälerei in Verbindung gebracht wird. Das war für mich natürlich eine unglaubliche Drohung.«
Noch jetzt war Oswald anzumerken, wie ihm in diesem Moment der Boden unter seinen Füßen weggerutscht sein musste.
»Was kann ich dafür, wenn diese Idioten sich ausgerechnet meinen Hof aussuchen! Wir verstoßen gegen keine Vorschriften, wir haben das schon immer so gemacht, und die anderen machen es auch nicht anders. Aber Petermann hat gesagt, das interessiert ihn nicht. Diese Tierschützer sind nun mal auf meinem Hof gewesen, und nur das zählt. Und wenn das an die Öffentlichkeit kommt, sind wir sofort geschiedene Leute.«
Dass er seinem Geflügelzüchter die Existenzgrundlage zerstörte, interessierte den Juniorchef der Feinkostmanufaktur nicht im Geringsten.
»Ein paar Tage später rief Petermann an und eröffnete mir, jetzt wäre es so weit. Die hätten bei ihrem Überfall nämlich ein Video über die unhaltbaren Zustände in unseren Ställen gedreht. Unhaltbare Zustände!«, erregte sich Oswald. »Genau so hat er es gesagt! Dabei wusste der Petermann doch immer schon, wie das bei allen seinen Lieferanten läuft, auch wenn er noch so sehr auf vornehmen Unternehmer macht! Dass das heutzutage kein Spaß mehr ist, unter diesen harten Konkurrenzbedingungen Tiere zu züchten. Da sehen Sie nicht mehr das Lebewesen. Dat geht gar nicht! Da sehen Sie nur die Kosten und den Ertrag, den das Ganze bringen muss, sonst können Sie gleich aufhören bei den niedrigen Geflügelpreisen. Jedenfalls gäbe es da jemanden, sagte der Petermann, der wolle das Video von meinem Hof ins Fernsehen bringen. Er kenne den Mann, der würde das bestimmt auch tun, und ich wüsste ja, was das für mich bedeutet.«
Bevor er fortfuhr, trank Oswald einen Schluck von dem Wasser, um das er die Beamten gebeten hatte.
»Zum Schluss meinte er dann, es gäbe allerdings eine Möglichkeit, die Veröffentlichung des Films zu verhindern. Und ich sollte auch an das viele Geld denken, das ich ihm schulde. Er könne aber nicht am Telefon darüber reden, er käme vorbei.«
Oswald unterbrach sich erneut. Die Kommissare ließen ihn seine Pausen machen. Gleich von Anfang an hatte der Mann ausführlich erzählt, sich bemüht, die Angaben zu Zeit und Ort so genau wie möglich zu machen und nichts auszulassen. Es war ihm ein echtes Bedürfnis, endlich seine Geschichte herauszulassen, über die er bisher zu niemandem hatte
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