Geschmiedet in Feuer und Magie - Fox, D: Geschmiedet in Feuer und Magie - Dragon in Chains
Kaiserinmutter hätte es sofort getan.
Die Kaiserinmutter, so dachte sie, hätte sich nie in solch eine Situation gebracht. Wenn man erst einmal Mitgefühl mit einem Diener zeigte, gehörte er einem
ein Leben lang; und was sollte sie mit noch einem jungen Mann …?
Sie sah auf ihn hinunter und erinnerte sich, dass dieser junge Mann davonlaufen würde, wenn sie ihn nur gehen ließ. Sie stieß ihn leicht an. »Wie heißt du?«
Ein Stammeln, unhörbar; geschwollene Lippen, Angst und direkter Kontakt mit den Bodendielen fördern eine deutliche Aussprache nicht besonders.
»Sag’s noch einmal.«
»Chung, Herrin.«
Es war wahrscheinlich ein gewaltiger Verstoß gegen die Etikette, sich in Gegenwart des Kaisers zu unterhalten, aber wenn der Kaiser mitreden wollte, würde er das sicher tun.
»Kannst du laufen, Chung?«
»Jetzt, Herrin?« Trotz allem hatte er sich einen Hauch von Humor bewahrt. Sie ging davon aus, dass er überleben würde.
»Nicht jetzt, Dummkopf. Wenn es dir gut geht.«
»Ja, Herrin. Ich kann laufen.«
»Gut. Kannst du lesen?«
»Nein, Herrin.«
»Das ist auch gut.« Sie sah zum Sohn des Himmels auf, der zusah, zuhörte und ein halbes Lächeln im Gesicht hatte: überlegene Erheiterung angesichts dessen, was sie vorhatte, gepaart mit dem unmöglichen Wunsch, mit einbezogen zu sein. Sie schnitt ihm eine derbe Grimasse und sagte: »Herr, könnt Ihr ihn zum kaiserlichen Boten machen?«
»Ja, natürlich.« Wenigstens war das etwas, was er tatsächlich
tun konnte, wozu er Ja sagen konnte. »Aber warum? Wir haben Boten …«
Ja, aber dieser hier würde ihrer sein. »Er kann als Bote zwischen uns und meinem Großvater dienen, Herr«, sagte sie gnädig und erlaubte ihm teilzuhaben. Alle offiziellen Boten gehörten der Kaiserin: Manche hatte sie mitgebracht, den Rest hatte sie hier gekauft oder in Dienst genommen, Einheimische. Es würde gut sein, einen Boten zu haben, der ganz ihnen gehörte, verlässlich und unkompromittiert; einen, der Mei Feng persönlich Treue geschworen hatte, der Botschaften überbringen konnte, von denen selbst der Kaiser nichts wissen musste. Ein Knoten mehr in ihrem Netzwerk, ein Weg, über die Palastmauern hinauszugreifen.
Und eine Botenschärpe, ein Aufblitzen von kaiserlichem Gelb, würde auch für Chung gut sein. Es bedeutete den Tod, einen Boten anzugreifen oder aufzuhalten.
Der Kaiser nickte. »Meine Ärzte sollten ihn erst in Augenschein nehmen, um sicherzustellen, dass er nicht zu verletzt ist.«
»Herr, Eure eigenen Ärzte …« … würden empört sein, wenn man von ihnen verlangte, einen Diener, einen Eingeborenen, zu untersuchen, der noch nicht einmal zu ihnen gehörte.
»… werden tun, was ich ihnen befehle«, sagte er, und das war natürlich auch wieder wahr. Sie würden empört, gehorsam und gründlich sein. Ärzte setzten ihr eigenes Leben aufs Spiel, wenn sie Hochgestellte behandelten.
»Nun, lasst mich ihn erst waschen …«
»Nein, Mei Feng. Wir haben Diener für so etwas – Diener,
die sich um unsere Diener kümmern. Ich will, dass du bei mir bleibst.«
Es geschah nicht oft, dass er kategorisch etwas befahl. Wenn er es tat, machte sie sich nicht die Mühe zu widersprechen. Er war immer noch der Kaiser, und dies war nur ein kurzer Blick auf das, was das bedeutete, vor allem eine Erinnerung daran, wie selten er sich darauf besann, wenn er mit ihr zusammen war.
»Ja, Herr.«
3
Y u Shan hatte sich die Stadt schon tausendmal – zehntausendmal! – vorgestellt.
Natürlich hatte er das. Er war ein Junge, der einen Großteil seines Lebens im Dunkeln verbracht hatte, ganz in der Enge seines Tals, der Enge seines Clans. Das Wissen, dass es irgendwo ein Meer gab – ein Gewässer, das so ausgedehnt wie der Himmel war, und Gebäude, die sich an sein Ufer drängten, unzählig viele, und Straßen, in denen täglich mehr Leute geschäftig umhereilten, als er vielleicht in seinem ganzen Leben treffen würde – hatte ihn viele seiner verträumten Augenblicke damit zubringen lassen, sich im Geiste Bilder auszumalen, ohne je dorthin reisen zu wollen.
Jetzt war er da: Und es war schrecklich und eindrucksvoll und vollkommen, vollkommen anders als irgendetwas, das er sich je vorgestellt hatte.
Er blieb immer wieder stehen, um zu gaffen: wie die Gebäude hoch und höher aufragten, wie sie sich aneinanderdrängten, und das Meer, die Docks, die Märkte, die …
»Yu Shan! Halte Schritt mit mir oder ich lege dir wieder
den Strick um den Hals, das schwöre ich dir!
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