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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Laute. Es war natürlich auch nicht unsere Sprache, kein einziges Wort davon, und obwohl ich keine Fremdsprache beherrsche, war ich mir sicher, daß es sich auch um keine andere handelte, denn für eine richtige Sprache war sie nicht komplex genug. Es war jedoch eine fließende Folge exotischer Töne, die grobschlächtig wie Wörter zusammengesetzt war, der nachdrückliche, aber primitive Versuch einer Sprache, mit einem kleinen einsilbigen Vokabular und gekennzeichnet von drängenden Rhythmen.
    Der Andere schien den verzweifelten Drang zu verspüren, kommunizieren zu müssen. Während ich lauschte, stellte ich überrascht fest, daß die Sehnsucht, Einsamkeit und Qual in seiner Stimme mich gefühlsmäßig zutiefst berührten. Diese Eigenschaften bildete ich mir nicht einfach ein. Sie waren so wirklich wie die Bretter unter meinen Füßen, die aufeinander gestapelten Kisten in meinem Rücken und das schwere Schlagen meines Herzens.
    Als sowohl der Andere als auch der Priester verstummten, traute ich mich nicht mehr, um die Ecke zu schauen. Wie auch immer der Besucher des Priesters aussehen mochte, ich vermutete, daß er nicht als richtiger Affe durchging, genauso wenig wie die Angehörigen des ursprünglichen Trupps, die Bobby belagerten und denen Orson und ich auf der südlichen Land-spitze begegnet waren. Falls er überhaupt einem Rhesusaffen ähnelte, würden die Unterschiede größer und zahlreicher sein und nicht nur aus der unheilvollen dunkelgelben Augenfarbe der anderen Affen bestehen.
    Falls ich Angst vor dem hatte, was ich vielleicht sehen würde, hatte sie nichts damit zu tun, daß dieser im Labor entstandene Andere eventuell körperlich verunstaltet war. Meine Brust war so angespannt, daß ich kaum noch tief einatmen konnte, und mein Hals so geschwollen, daß ich nur mit Mühe schlucken konnte. Nein, ich fürchtete vielmehr, dem Blick dieses Wesens zu begegnen und in seinen Augen meine eigene Abgeschiedenheit zu sehen, meine eigene Sehnsucht, normal zu sein, die ich achtundzwanzig Jahre lang so erfolgreich verleugnet hatte, daß ich mich tatsächlich mit meinem Schicksal abgefunden hatte. Aber mein Glück ist, wie das jedes anderen, zerbrechlich. Ich hatte eine schreckliche Sehnsucht in der Stimme dieser Kreatur gehört und fühlte, daß sie mit der verwandt war, um die ich vor Urzeiten eine Perle der Gleichgültigkeit und stillen Resignation gebildet hatte. Ich befürchtete, falls ich dem Anderen in die Augen sah, würde irgendeine Resonanz zwischen uns diese Perle zertrümmern und mich wieder anfällig zurücklassen.
    Ich zitterte.
    Genau aus diesem Grund kann ich nicht, wage ich es nicht und werde ich auch nicht meinen Schmerz oder meine Trauer zum Ausdruck bringen, wenn das Leben mich verletzt oder mir einen geliebten Menschen nimmt. Trauer führt zu leicht zu Verzweiflung. Auf dem fruchtbaren Boden der Verzweiflung kann Selbstmitleid sprießen und gedeihen. Ich darf nicht damit anfangen, mich dem Selbstmitleid hinzugeben, denn wenn ich meine Beschränkungen erst einmal aufzähle und mich ausführlich damit befasse, werde ich mich in ein so tiefes Loch graben, daß ich niemals wieder hinauskriechen kann. Ich muß etwas von einem gefühlskalten Arschloch haben, um zu überleben, darf mir keine Schwäche erlauben, zumindest dann nicht, wenn es darum geht, um die Toten zu trauern. Ich bin imstande, meiner Liebe für das Leben Ausdruck zu verleihen, meine Freunde ohne Vorbehalt zu umarmen, jemandem mein Herz zu schenken, ohne zu befürchten, daß man meine Liebe mißbraucht. Doch an dem Tag, an dem mein Vater stirbt, muß ich Scherze über den Tod machen, über Krematorien, über das Leben, über alle möglichen verdammten Dinge, weil ich es nicht riskieren kann – nicht riskieren werde –, von der Trauer in Verzweiflung und Selbstmitleid und, schließlich, in die Grube der unausweichlichen Wut und Einsamkeit und des Hasses auf mich selbst zu stürzen, die mich zum Monstrum machen würde. Ich darf die Toten nicht allzusehr lieben. Ganz gleich, wie gern ich mich an sie erinnern möchte und wie sehr sie mir am Herzen liegen, ich muß sie loslassen — und zwar schnell. Ich muß sie aus meinem Herzen stoßen, noch während sie auf ihren Sterbebetten erkalten. Ebenso muß ich Scherze darüber machen, daß ich ein Mörder bin, denn wenn ich zu lange und angestrengt darüber nachdenke, was es wirklich bedeutet, einen Menschen getötet zu haben, selbst ein Ungeheuer wie Lewis Stevenson, werde ich mich

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