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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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allmählich fragen, ob ich tatsächlich die Mißgeburt bin, als die diese widerlichen kleinen Scheißkerle meiner Kindheit mich immer wieder bezeichnet haben: der Nachtschleicher, Vampirjunge, der unheimliche Chris. Mir darf nicht zu viel an den Toten liegen, weder an denen, die ich geliebt, noch an jenen, die ich verachtet habe. Mir darf nicht zu viel daran liegen, daß ich allein bin. Mir darf nicht zu viel an dem liegen, was ich nicht ändern kann. Wie wir alle in diesem Sturm zwischen Geburt und Tod kann ich keine großen Veränderungen in dieser Welt bewirken, nur kleine hin zum Besseren, wie ich hoffe, im Leben jener, die ich liebe, und das bedeutet, wenn ich leben will, darf mir nichts daran liegen, was ich bin, sondern nur daran, was ich werden kann, nichts an der Vergangenheit, sondern an der Zukunft, nicht einmal etwas an mir, sondern nur an dem strahlenden Kreis meiner Freunde, die mir das einzige Licht schenken, in dem ich gedeihen kann.
    Ich zitterte wieder, als ich abermals in Betracht zog, um die Ecke zu gehen und dem Anderen gegenüberzutreten, in dessen Augen ich vielleicht viel zuviel von mir selbst sehen würde. Ich umklammerte die Glock, als wäre sie keine Waffe, sondern ein Talisman, ein Kruzifix, mit dem ich alles abwehren konnte, das mich vernichten wollte. Ich zwang mich dazu. Ich beugte mich nach rechts, drehte den Kopf – und sah niemanden.
    Der Gang, der an der Südseite des Dachbodens entlang führte, war breiter als der auf der Ostseite, vielleicht zweieinhalb Meter breit; und auf dem Spanplattenboden lagen, unter das Dachgesims geschoben, eine schmale Matratze und ein paar Decken. Das Licht kam von einer kegelförmigen Schreibtischlampe aus Messing, die in eine an einen Balken des Gesimses geschraubte Steckdose eingestöpselt war. Neben der Matratze standen und lagen eine Thermosflasche, ein Teller mit Obst-scheiben und Butterbroten, ein Wassereimer, Flaschen mit Medikamenten und Alkohol zum Einreiben, Verbandszeug, ein zusammengefaltetes Handtuch und ein feuchter, blutbefleckter Waschlappen.
    Der Priester und sein Gast schienen verschwunden zu sein, als hätten sie einen Zauberspruch geflüstert.
    Auch wenn die emotionale Wirkung der Sehnsucht in der Stimme des Anderen mich kurz gelähmt hatte, konnte ich, nachdem das Geschöpf verstummt war, höchstens eine Minute lang am Ende der Kistenreihe gestanden haben, eher nur eine halbe. Und doch waren weder Father Tom noch sein Besucher auf dem Gang vor mir zu sehen.
    Es herrschte Stille. Ich hörte keinen einzigen Schritt. KeinÄchzen oder Knacken oder Knirschen von Holz, das eine größere Bedeutung als die normalen schwachen Hintergrundgeräusche zu haben schien.
    Ich sah tatsächlich zu den Sparren in der Mitte des Raums hinauf. Bei mir hatte sich die hirnrissige Überzeugung eingestellt, daß die beiden Verschwundenen es der cleveren Spinne gleichgetan, sich an Spinnfäden hochgezogen und in den Schatten über mir zu kleinen schwarzen Bällen zusammengerollt hatten.
    Solange ich in der Nähe der Kisten zu meiner Rechten blieb, hatte ich genug Kopffreiheit, um aufrecht zu stehen. Die vom Dachgesims linkerhand aufsteigenden, scharf abgeschrägten Sparren befanden sich fünfzehn oder zwanzig Zentimeter über meinem Kopf. Trotzdem kauerte ich mich abwehrend zusammen.
    Die Lampe war nicht so hell, um für mich gefährlich zu sein, und der Messingkegel lenkte das Licht zudem von mir fort, und so ging ich zu der Matratze, um mir die Gegenstände daneben genauer anzusehen. Mit der Spitze eines Schuhs stieß ich die unordentlichen Decken beiseite. Ich bin mir nicht sicher, was ich unter ihnen zu finden hoffte, und ich fand auch nichts, davon allerdings jede Menge.
    Ich befürchtete nicht, daß Father Tom nach unten gehen und dort Orson finden würde. Zum einen nahm ich nicht an, daß er mit seiner Arbeit hier oben auf dem Dachboden schon fertig war. Außerdem war mein kriminell erfahrener Hund so ausgebufft, daß er in Deckung gegangen wäre und gewartet hätte, bis sich ihm eine Möglichkeit zur Flucht bot.
    Doch plötzlich wurde mir klar, daß der Priester vielleicht die Leiter hochschieben und die Klapptür schließen würde, wenn er nach unten ging. Ich konnte sie aufbrechen und die Leiter von oben hinablassen, aber nicht, ohne fast so viel Lärm zu machen, wie der Teufel und seine Mitverschwörer bei der Vertreibung aus dem Himmel gemacht hatten.
    Statt also dem Weg zum nächsten Eingang ins Labyrinth zu folgen und zu riskieren, dem

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