Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
höher und zitternder als die des Priesters. Sie erinnerte an die eines sehr jungen Kindes – und war trotzdem keineswegs so normal. Nicht so musikalisch wie die Sprache eines Kindes. Nicht halb so unschuldig. Ich konnte nicht verstehen, was es, falls überhaupt etwas, von sich gab. Je länger ich der Stimme lauschte, desto unheimlicher wurde sie, bis sie mich dann verharren ließ. Aber ich wagte es nicht, lange zu verharren.
    Der Gang, in dem ich mich befand, endete in einem, der sich über die gesamte östliche Länge des Dachbodenirrgartens erstreckte. Ich riskierte einen Blick in diese lange Gerade.
    Zu meiner Linken war alles dunkel, aber rechts befand sich die südöstliche Ecke des Gebäudes, wo ich die Lichtquelle und den Priester mit seinem heulenden Gefangenen vorzufinden erwartet hatte. Statt dessen blieb die Lampe hinter einer weiteren Ecke an der Südwand verborgen.
    Ich folgte diesem zwei Meter breiten Durchgang, wobei ich in der Hocke bleiben mußte, denn die Wand zu meiner Linken war in der Tat die Unterseite des Steildachs. Ich ging an dem dunklen Schlund eines anderen Durchgangs rechts von mir vorbei, der von Kistenstapeln und alten Möbeln gebildet wurde, und blieb dann zwei Schritte vor der Ecke stehen. Nun befand sich nur noch eine Wand aus eingelagerten Gegenständen zwischen mir und der Lampe.
    Abrupt sprang ein sich windender Schatten über die Sparren und Dachverkleidung, die die Wand vor mir bildete: ein wildes, stacheliges Schlagen ausgefranster Gliedmaßen mit einer bauchigen Schwellung in der Mitte, so fremdartig, daß ich fast vor Panik aufgeschrien hätte. Mir wurde bewußt, daß ich die Glock mit beiden Händen fest umklammerte.
    Dann wurde mir klar, daß die Erscheinung vor mir der verzerrte Schatten einer Spinne war, die an einem einzigen seidigen Faden baumelte. Sie mußte so nah vor der Lichtquelle schweben, daß ihr stark vergrößertes Bild auf die Oberflächen vor mir projiziert wurde.
    Für einen skrupellosen Mörder war ich eigentlich viel zu nervös. Vielleicht trug daran die koffeinhaltige Pepsi Schuld, die ich vorhin getrunken hatte, um den sauren Geschmack des Erbrochenen in meinem Mund loszuwerden. Wenn ich das nächste Mal jemanden umbrachte und danach kotzen mußte, würde ich mir den Mund mit einem koffeinfreien Getränk ausspülen und dazu eine Valium nehmen, um meinen Ruf als gefühllose, wirkungsvolle Mordmaschine nicht zu beflecken.
    Nachdem ich mich ob der Spinne beruhigt hatte, stellte ich ebenfalls fest, daß ich die Stimme des Priesters endlich deutlich genug hören konnte, um jedes Wort zu verstehen: »… tut weh, ja, natürlich, es tut sehr weh. Aber jetzt habe ich den Transponder aus dir herausgeschnitten, ihn herausgeschnitten und zertreten, und sie können dir nicht mehr folgen.«
    Ich mußte unwillkürlich an Jesse Pinn denken, wie er früher an diesem Abend mit einem seltsamen Instrument in der Hand über den Friedhof geschlichen war, auf schwache elektronische Töne lauschte und Daten auf einem kleinen, grün leuchtenden Bildschirm ablas. Offensichtlich hatte er das Signal eines eingepflanzten Transponders in diesem Geschöpf verfolgt. Ein Affe, nicht wahr? Und doch kein Affe?
    »Der Schnitt war nicht sehr tief«, fuhr der Priester fort. »Der Transponder saß direkt unter dem subkutanen Fett. Ich habe die Wunde sterilisiert und vernäht.« Er seufzte. »Ich wünschte, ich wüßte, wieviel du von meinen Worten verstehst, wenn überhaupt etwas.«
    In seinem Tagebuch hatte Father Tom von den Mitgliedern eines neuen Trupps geschrieben, die weniger feindselig und gewalttätig als die ersten waren, und auch, daß er sich ihrer Befreiung gewidmet hatte. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, warum es einen neuen Trupp geben sollte – im Gegensatz zu einem alten —, oder warum er mit Transpondern oder Sendern unter der Haut auf die Welt losgelassen wurden, ja nicht einmal, wie diese klügeren Affen beider Trupps überhaupt entstanden waren. Aber es war klar, daß der Priester sich irgendwie als modernen Sklavenbefreier sah, der für die Rechte der Unterdrückten kämpfte, und daß dieses Pfarrhaus ein wichtiges Asyl auf einer geheimen Straße in die Freiheit darstellte.
    Als Pinn den Priester im Keller der Kirche unter Druck gesetzt hatte, mußte er angenommen haben, daß der derzeitige vom Pfarrer beherbergte Flüchtling bereits operiert worden und weitergezogen war, und das Gerät, das er in der Hand hielt, das Signal eines Transponders empfing, der sich

Weitere Kostenlose Bücher