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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nicht mehr in dem Geschöpf befand, zu dem er den Weg weisen sollte. Statt dessen hatte der Flüchtling sich hier auf dem Dachboden erholt.
    Father Toms geheimnisvoller Besucher winselte leise, als hätte er Schmerzen, und der Priester antwortete mit einem mitfühlenden Plappern, das der Babysprache gefährlich nahe kam.
    Da ich mich daran erinnerte, wie demütig der Priester sich gegenüber dem Leichenbestatter benommen hatte, mußte ich erst neuen Mut schöpfen und legte dann die paar Schritte zur letzten Kistenwand zurück. Ich stand mit dem Rücken zur Ende der Reihe und hatte die Knie nur leicht gebeugt, um mit dem Kopf nicht die Dachschräge zu berühren. Um von hier aus den Priester und das Geschöpf bei ihm zu sehen, mußte ich mich nur nach rechts beugen, den Kopf drehen und in den Gang an der Südseite des Dachbodens schauen, woher das Licht und die Stimmen kamen.
    Ich zögerte lediglich, meine Anwesenheit zu enthüllen, weil ich an einige der seltsameren Einträge im Tagebuch des Priesters denken mußte: die weitläufigen und paranoiden Passagen, die man nur noch als unzusammenhängend bezeichnen konnte, die zweihundert Wiederholungen von »Ich glaube an die Gnade Christi«. Vielleicht war er ja nicht immer so sanft, wie er es Jesse Pinn gegenüber gewesen war.
    Der Geruch nach Schimmel, Staub und alten Pappkartons wurde nun von einem neuen, eher medizinischen überlagert, der sich aus Alkohol zum Einreiben, Jod und einem beißenden antiseptischen Säuberungsmittel zusammensetzte.
    Irgendwo im nächsten Gang zog die Spinne sich an ihrem Faden hoch, fort vom Licht der Lampe, und der vergrößerte Arachnoidenschatten auf der schrägen Wand wurde schnell kleiner, schrumpfte zu einem schwarzen Punkt zusammen und verschwand schließlich ganz.
    Father Tom sprach beruhigend auf seinen Patienten ein: »Ich habe Antibiotika, Kapseln mit verschiedenen Penizillinderivaten, aber kein wirksames Schmerzmittel. Leider nicht. Wo sich doch auf dieser Welt alles um das Leiden dreht, nicht wahr? Dieses Tal der Tränen. Du wirst wieder gesund. Dir wird es wieder gutgehen. Ich verspreche es. Gott wird dich durch mich behüten.«
    Ich konnte nicht beurteilen, ob der Priester von St. Bernadette ein Heiliger oder ein Schurke war, einer der wenigen geistig noch gesunden Menschen in Moonlight Bay oder völlig verrückt. Ich hatte nicht genug Fakten, kannte die Zusammenhänge nicht.
    Ich war mir nur über eines sicher: Selbst wenn Father Tom normal war und das Richtige tat, fehlten in seinem Schrank dermaßen viele Tassen, daß ich ihn während einer Taufe nicht das Baby hätte halten lassen.
    »Weil ich nach dem Seminar drei Jahre lang Missionar in Uganda war«, erzählte der Priester seinem Patienten, »habe ich eine, wenn auch rudimentäre, medizinische Ausbildung genossen.«
    Ich glaubte, den Patienten zu hören: ein Murmeln, das mich etwas – aber nicht ganz – an das leise Gurren von Tauben erinnerte, in das sich das gutturalere Schnurren einer Katze mischte.
    »Du wirst bestimmt wieder ganz gesund«, fuhr Father Tom fort. »Aber du mußt noch ein paar Tage hierbleiben, damit ich dir Antibiotika verabreichen und überwachen kann, wie die Wunde verheilt. Verstehst du mich?« Und dann, mit einem Anflug von Frustration und Verzweiflung: »Verstehst du überhaupt etwas von dem, was ich sage?«
    Als ich mich gerade nach rechts lehnen und um die Wand aus Kisten spähen wollte, antwortete der Andere dem Priester. Der Andere: So nannte ich den Flüchtling im Geiste, als ich ihn aus solcher Nähe sprechen hörte, weil er eine Stimme hatte, die man sich kaum als die eines Kindes, aber auch nicht als die eines Affen oder sonst irgend etwas in Gottes großem Buch der Schöpfung vorstellen konnte.
    Ich erstarrte. Mein Finger krümmte sich um den Abzug zusammen.
    Zweifellos klang die Stimme zum Teil wie die eines jungen Kindes, und zum Teil wie die eines Affen. Sie klang eigentlich teilweise nach vielen Geschöpfen, als hätte ein überaus kreativer Tontechniker in Hollywood mit einer Bibliothek menschlicher und tierischer Stimmen gespielt und sie mit dem Mischpult bearbeitet, bis er die perfekte Stimme eines Außerirdischen gefunden hatte.
    Am ergreifendsten an der Rede des Anderen war nicht der Tonumfang, auch nicht der Tonfall, nicht einmal die Leidenschaft und Gefühlstiefe, die sie eindeutig formte. Am meisten schreckte mich die Erkenntnis auf, daß sie eine Bedeutung hatte. Ich lauschte nicht lediglich einem Gestammel tierischer

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