Geschöpfe der Nacht
indem es diese Bilder so lebhaft aus meinem Gedächtnis aufrief. Nun kam ich endlich darauf. Jeder der Hunde auf diesen Bildern repräsentiert einen vertrauten Menschentyp und ist offensichtlich auch so klug wie ein Mensch. Auf der Nostromo war mir wegen des Spiels, mit dem Orson und die Katze sich vergnügt hatten, dem Verspotten stereotypischer Verhaltensmuster, klargeworden, daß einige dieser Tiere aus Fort Wyvern vielleicht viel klüger waren, als ich bis dahin gedacht hatte – so klug, daß ich noch nicht bereit war, die erstaunliche Wahrheit zu akzeptieren. Wenn sie Karten halten und sprechen konnten, würden sie die eine oder andere Partie wohl gewinnen; vielleicht würden sie mich sogar bis aufs Hemd ausziehen.
»Es ist eigentlich noch ein wenig früh«, sagte ich, als ich Orson den Napf aus dem Maul nahm, »aber du hast ja in dieser Nacht schon viel erlebt.«
Nachdem ich eine Portion seines Lieblingstrockenfutters in den Napf geschüttet hatte, ging ich durch die Küche und schloß die Jalousien gegen die zunehmende Bedrohung durch den Tag. Als ich die letzte zuzog, glaubte ich zu hören, wie irgendwo im Haus leise eine Tür geschlossen wurde.
Ich erstarrte und lauschte.
»War da irgendwas?« flüsterte ich.
Orson schaute vom Napf hoch, schnüffelte, legte den Kopf schräg, bellte dann und widmete sich wieder seiner Mahlzeit.
Der Zirkus mit den dreihundert Manegen in meinem Kopf.
An der Spüle wusch ich mir die Hände und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht.
Sashas Küche ist makellos sauber, blitzblank und wohlriechend, aber völlig verkramt. Sie ist eine ausgezeichnete Köchin, und die exotischsten Küchengeräte nehmen mindestens die Hälfte der Arbeitsfläche in Beschlag. An Wandhaken baumeln überall dermaßen viele Töpfe, Pfannen, Schöpflöffel und weitere Utensilien, daß man sich vorkommt, als erforsche man eine Höhle, deren Decke mit Stalaktiten gespickt war.
Als ich durch ihr Haus ging und die Jalousien schloß, spürte ich in jeder Ecke Sashas lebenssprühenden Geist. Sie ist so lebendig, daß sie eine Aura zurückläßt, die noch besteht, wenn sie schon längst fort ist.
Ihr Haus wurde nicht von einem Innenarchitekten eingerichtet, weist keine Harmonie in der Abstimmung von Möbeln und Kunstwerken auf. Statt dessen ist jeder Raum ein Ausdruck einer ihrer Leidenschaften, die sie ganz in Anspruch nehmen. Sie ist eine Frau mit vielen Leidenschaften.
Da das Eßzimmer ihrer Musik gewidmet ist, werden alle Mahlzeiten am großen Tisch in der Küche eingenommen. An einer Wand des Eßzimmers befindet sich ein riesiger Synthesizer, mit dem sie ein ganzes Orchester zusammenstellen könnte, falls sie wollte, und daneben steht der Tisch, an dem sie komponiert, mit Notenständer und einem Stapel Notenblätter, die darauf warten, daß sie darüber herfällt. In der Mitte des Raums steht ein Schlagzeug, in einer Ecke ein hochwertiges Cello mit einem niedrigen Cellistenstuhl davor. In einer anderen Ecke hängt neben einem zweiten Notenständer ein Saxophon an einem Messinghaken. Des weiteren befinden sich zwei Gitarren in diesem Raum, eine akustische und eine elektrische.
Das Wohnzimmer will keinen Eindruck schinden, sondern so viele Bücher wie möglich beherbergen. Die Wände sind von Bücherregalen gesäumt, die vor gebundenen Ausgaben und Taschenbüchern überfließen. Die Möbel sind nicht übertrieben modern und weder stilvoll noch stillos: Stühle und zwei Sofas in neutralen Tönen, die wegen der Bequemlichkeit ausgewählt worden waren, die sie boten. Beim Kauf war entscheidend gewesen, daß man gut auf ihnen sitzen und sich unterhalten oder stundenlang liegen und lesen konnte.
Im ersten Stock beinhaltete das erste Zimmer hinter der Treppe ein Heimfahrrad, ein Rudergerät, einen Satz zusammensetzbarer Gewichte von einem bis zehn Kilo und Übungsmatten. In diesem Raum bewahrt sie auch ihre homöopathische Medizin auf, Dutzende von Flaschen mit Vitaminen und Mineralien, und praktiziert Yoga. Wenn sie den Heimtrainer benutzt, steigt sie erst wieder ab, wenn sie schweißnaß ist und auf dem Schrittzähler mindestens dreißig Kilometer abgerissen hat. Im Rudergerät bleibt sie, bis sie im Geiste den Lake Tahoe überquert hat, und den Rhythmus behält sie bei, indem sie Melodien von Sarah McLachlan oder Juliana Hatfield oder Meredith Brooks oder Sasha Goodall singt, und wenn sie Bauch- oder Beintraining macht, scheinen die Gymnastikmatten unter ihr zu qualmen anzufangen, bevor sie noch halb
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