Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
durch die Erbsensuppe des Nebels.
    »Geh nach Hause«, sagte Manuel. »Es wird bald hell.«
    »Wer hat befohlen, daß Angela Ferryman ermordet wird?«
    »Geh nach Hause.«
    »Wer?«
    »Niemand.«
    »Ich glaube, sie wurde ermordet, weil sie sich an die Öffentlichkeit wenden wollte. Sie hatte nichts zu verlieren, hat sie mir gesagt. Sie hatte Angst vor dem, was sie… wurde.«
    »Der Trupp hat sie getötet.«
    »Wer lenkt den Trupp?«
    »Niemand. Wir können die Arschlöcher nicht mal finden.«
    Ich glaubte, einen der Orte zu kennen, an denen die Bande herumhing: der Entwässerungskanal in den Hügeln, wo ich die Schädelsammlung gefunden hatte. Aber ich wollte Manuel diese Information nicht weitergeben, denn zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht sicher sein, wer meine gefährlicheren Feinde waren: der Trupp – oder Manuel und die anderen Cops.
    »Warum haben sie es getan, wenn niemand es ihnen befohlen hat?«
    »Sie haben ihre eigenen Vorstellungen. Manchmal stimmen sie mit den unsrigen überein. Auch sie wollen nicht, daß die Welt davon erfährt. Ihre Zukunft liegt nicht darin, ungeschehen zu machen, was hier passiert ist. Ihre Zukunft ist die neue Welt, die kommen könnte. Wenn sie also irgendwie von Angelas Plänen erfahren haben, mußten sie sie beseitigen. Dahinter steckt kein führender Kopf eines Komplotts oder so, Chris. Es gibt all diese verschiedenen Splittergruppen – die guten Tiere, die bösen, die Wissenschaftler in Fort Wyvern, Menschen, die sich zum Schlimmeren verändert haben, Menschen, die sich zum Besseren verändert haben. Jede Menge Splittergruppen mit unterschiedlichen Zielen. Ein wahres Chaos. Und das Chaos wird eher noch schlimmer werden, als daß es besser wird. Nun geh nach Hause. Laß die Sache auf sich beruhen. Laß sie auf sich beruhen, bevor irgend jemand dich aufs Korn nimmt, wie man Angela aufs Korn genommen hat.«
    »Ist das eine Drohung?«
    Er antwortete nicht.
    Als ich davonging, das Fahrrad über den Hof schob, sagte Toby: »Christopher Snow. Snow wie Schnee. Schnee wie Weihnachten. Weihnachten und Weihnachtsmann. Weihnachtsmann und Schlitten. Schlitten auf Schnee. Schnee wie Weihnachten. Christopher Snow.« Er lachte mit unschuldiger Freude, fand großes Vergnügen an diesem unbeholfenen Wortspiel und freute sich eindeutig über meine Überraschung.
    Der Toby Ramirez, den ich gekannt hatte, wäre nicht einmal zu einem so einfachen Wortassoziationsspiel wie diesem imstande gewesen.
    »Sie bezahlen jetzt für deine Kooperation, oder?« sagte ich zu Manuel.
    Sein leidenschaftlicher Stolz über dieses neue Geschick mit Worten war gleichzeitig so rührend und zutiefst traurig, daß ich ihn nicht länger ansehen konnte.
    »Trotz allem, was er nicht hatte, war er immer glücklich«, sagte ich. »Er hatte einen Lebensinhalt gefunden, Erfüllung. Und was, wenn sie ihn nun nur so weit bringen können, daß er unzufrieden mit dem ist, was er ist… aber ihn nicht völlig normal machen können?«
    »Das werden sie«, sagte Manuel mit einer Überzeugung, für die es keine Berechtigung geben konnte. »Das werden sie.«
    »Dieselben Leute, die diesen Alptraum geschaffen haben?«
    »Es hat nicht nur eine dunkle Seite.«
    Ich dachte an das erbärmliche Wehgeschrei des Besuchers auf dem Dachboden des Pfarrhauses, die melancholische Eigenschaft seiner Wechselbalgstimme, die schreckliche Sehnsucht in seinen verzweifelten Versuchen, mit seiner Katzenmusik Bedeutung zu vermitteln. Ich dachte an Orson in jener Sommernacht, wie er unter den Sternen verzweifelte.
    »Gott steh dir bei, Toby«, sagte ich, weil auch er mein Freund war. »Gott segne dich.«
    »Gott hat seine Chance gehabt«, sagte Manuel. »Von jetzt an nehmen wir unser Glück selbst in die Hand.«
    Ich mußte von dort verschwinden, und das nicht nur, weil es bald dämmern würde. Ich schob das Fahrrad wieder über den Hof- und war mir nicht bewußt, daß ich losgerannt war, bis ich an dem Haus vorbei und auf der Straße war.
    Als ich zu dem Gebäude im Nantucket-Stil zurückschaute, sah es anders aus als je zuvor. Kleiner, als ich es in Erinnerung hatte. Gedrängt. Unwirtlich.
    Im Osten bildete sich ein bleiches Silbergrau hoch über der Welt, entweder der einsickernde Sonnenaufgang oder der Jüngste Tag.
    Binnen zwölf Stunden hatte ich meinen Vater verloren, Manuels und Tobys Freundschaft, viele Illusionen und eine ganze Menge an Unschuld. Mich überkam das schreckliche Gefühl, daß vielleicht noch weitere und schlimmere Verluste auf

Weitere Kostenlose Bücher