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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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dem Hof standen zwei Leichenwagen und Sandys Privatfahrzeuge – aber auch, am Ende des Flügels, der am weitesten von dem Wohnhaus entfernt war, der Feuerbestattungsofen.
    Ich schlüpfte um die Ecke der Garage, entlang der Rückseite des zweiten Arms des L, wo riesige Eukalyptusbäume den Großteil des Mondlichts verdeckten. In der Luft hing der medizinische Duft der Bäume, und ein Teppich toter Blätter knirschte unter meinen Füßen.
    Kein Fleckchen von Moonlight Bay ist mir unbekannt – und besonders dieses nicht. Viele meiner Nächte habe ich mit der Erkundung unserer eigenen, ganz besonderen Stadt verbracht, was zu einigen makaberen Entdeckungen geführt hat.
    Links vor mir erhellte frostiges Licht das Krematoriumfenster. Ich näherte mich ihm mit der – wie sich herausstellte, richtigen – Überzeugung, daß ich etwas Seltsameres und viel Schlimmeres sehen würde als das, was Bobby Halloway und ich in jener Oktobernacht gesehen hatten, als wir dreizehn Jahre alt waren…
    Vor anderthalb Jahrzehnten hatte ich, wie die meisten Jungen in meinem Alter, eine morbide Ader und war fasziniert vom Geheimnis und dem schaurigen Glanz des Todes. Bobby Halloway und ich, schon damals Freunde, hielten es für eine Mutprobe, den Besitz des Bestattungsunternehmers auf der Suche nach dem Widerwärtigen, dem Unheimlichen, dem Schockierenden zu durchstreifen.
    Ich kann mich nicht mehr erinnern, was wir zu finden erwartet – oder erhofft – hatten. Eine Sammlung von Menschenschädeln? Eine Verandaschwingtür aus Gebeinen? Ein geheimes Labor, in dem der täuschend normal aussehende Frank Kirk und sein täuschend normal aussehender Sohn Sandy Blitze aus Gewittern anlockten, um unsere toten Nachbarn zu reanimieren und sie als Sklaven einzusetzen, als Köche und Haushaltsgehilfinnen?
    Vielleicht erwarteten wir, in irgendeiner düsteren, von Dornensträuchern geschützten Ecke des Rosengartens einen Schrein für die bösen Götter Cthulhu und Yog-Sothoth zu finden. Bobby und ich lasen damals jede Menge H. P. Lovecraft.
    Bobby behauptet, wir wären zwei unheimliche Kinder gewesen. Ich sage, klar, wir waren unheimlich, aber nicht unheimlicher als andere Jungs.
    Bobby meint, ja, vielleicht, aber die anderen Jungs wären allmählich aus dieser Verrücktheit herausgewachsen, wir hingegen noch tiefer in die unsere hinein.
    In dieser Hinsicht stimme ich nicht mit Bobby überein. Ich glaube nicht, daß ich unheimlicher oder verrückter bin als irgendeiner meiner Bekannten. Eigentlich bin ich, verdammt noch mal, bei weitem nicht so seltsam, verrückt und unheimlich wie die meisten anderen.
    Was auch für Bobby zutrifft. Aber weil ihm seine Verrücktheit wichtig ist, will er, daß auch ich an meine glaube und sie ebenfalls zu schätzen lerne.
    Er besteht auf seiner Verrücktheit. Er behauptet, indem wir unsere Seltsamkeit eingestehen und umarmen, lebten wir in größerer Harmonie mit der Natur – weil die Natur selbst zutiefst unheimlich, verrückt und seltsam sei.
    Auf jeden Fall entdeckten Bobby Halloway und ich eines Abends im Oktober hinter der Garage des Bestattungsinstituts das Krematoriumfenster. Wir wurden von einem unheimlichen, geisterhaften Licht angezogen, das gegen das Glas pochte.
    Das Fenster war sehr hoch in die Wand eingelassen, und wir waren nicht groß genug, um hineinzulinsen. Mit der Verstohlenheit eines Kommandotrupps, der ein feindliches Lager ausspäht, schnappten wir uns vom Patio eine Teakholzbank und trugen sie hinter die Garage, wo wir sie unter das erleuchtete Fenster stellten.
    Da wir uns Seite an Seite auf die Bank stellten, konnten wir gemeinsam auskundschaften, was sich unseren Blicken bot. Das Innere des Fensters wurde von einer Jalousie bedeckt; aber jemand hatte vergessen, die Lamellen zu schließen, was uns ungehinderte Sicht auf Frank Kirk und seinen Mitarbeiter bei ihrem Tun ermöglichte.
    Da ich ausreichend weit vom Zimmer entfernt stand, war das Licht nicht hell genug, um mir Schaden zuzufügen. Zumindest redete ich mir das ein, während ich die Nase gegen die Scheibe drückte.
    Obwohl ich gelernt hatte, ein überaus vorsichtiger Junge zu sein, war ich trotzdem ein Junge, und deshalb liebte ich das Abenteuer und die Kameradschaft und hätte wohl wissentlich die Erblindung riskiert, um diesen Augenblick mit Bobby Halloway zu teilen.
    Neben dem Fenster lag auf einer Rollbahre aus rostfreiem Stahl die Leiche eines älteren Mannes. Sie war in ein Laken gehüllt, und nur das schwer gezeichnete Gesicht

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