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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Menschen zu trösten, Christopher, und ich bin gut darin. Aber ehrlich – ich habe keine Worte, die dem Tod Sinn geben oder ihn erträglicher machen können.«
    Ich hätte ihn am liebsten in den Arsch getreten.
    »Ich komme schon klar«, sagte ich, als mir bewußt wurde, daß ich hier weg mußte, bevor ich etwas Unüberlegtes tat.
    »Ich ertappe mich dabei, wie ich den meisten Leuten gegenüber all die Banalitäten äußere, die man in der Lyrik, die Ihr Vater so sehr geliebt hat, niemals finden würde, also werde ich sie Ihnen gegenüber nicht wiederholen, auf keinen Fall Ihnen gegenüber.«
    Ich hielt den Kopf gesenkt, nickte, entzog mich seinem Griff und entfernte mich, indem ich rückwärts ging. »Danke, Mr. Kirk. Es tut mir leid, daß ich Sie belästigt habe.«
    »Sie haben mich nicht belästigt. Selbstverständlich haben Sie das nicht. Ich wünschte nur, Sie hätten vorher angerufen. Dann hätte ich es… hinauszögern können.«
    »Nicht Ihre Schuld. Ist schon in Ordnung. Wirklich.«
    Nachdem ich rückwärts von der treppenlosen Ziegelsteinveranda auf den Asphalt unter dem Säulenvorbau getreten war, wandte ich mich von Sandy ab.
    Er zog sich wieder auf diese Schwelle zwischen den beiden Dunkelheiten zurück. »Haben Sie schon über die Trauerfeier nachgedacht – wann Sie sie halten wollen, wie sie durchgeführt  werden soll?«
    »Nein. Nein, noch nicht. Ich lasse es Sie morgen wissen.«
    »Christopher«, sagte Sandy, als ich davonging, »ist wirklich alles in Ordnung?«
    Als ich ihn diesmal aus einiger Entfernung ansah, sprach ich mit einer gefühllosen, gleichförmigen Stimme, die ich nur halbwegs zustande bekam. »Ja. Mir geht es gut. Ich komme schon klar. Danke, Mr. Kirk.«
    »Hätten Sie doch nur angerufen.«
    Achselzuckend rammte ich die Hände in die Jackentaschen, wandte mich wieder von dem Haus ab und ging an der Pietà vorbei.
    In der Mischung, aus der die Nachbildung gegossen war, befanden sich Glimmersprenkel, und der große Mond schimmerte auf diesen winzigen Flecken, so daß Tränen auf den Wangen Unserer Lieben Frau aus Gußbeton zu glänzen schienen.
    Ich widerstand dem Drang, mich noch einmal nach dem Bestattungsunternehmer umzudrehen. Ich war sicher, daß er mich noch beobachtete.
    Ich ging den Weg zwischen den desolaten, flüsternden Bäumen entlang. Die Temperatur war gefallen, lag vielleicht noch bei fünfzehn Grad. Der auflandige Wind war rein, nachdem er über Tausende von Kilometern Ozean gezogen war, und enthielt lediglich einen Hauch von Salzgeruch.
    Erst als mich das Gefälle der Auffahrt schon längst gegen Sandys Blick abschirmte, schaute ich zurück. Ich konnte nur noch das steile Giebeldach und die Schornsteine sehen, düstere Formen vor dem Hintergrund des salzigen Sternenhimmels.
    Ich trat vom Weg auf den Rasen und ging wieder hügelaufwärts, diesmal im schützenden Schatten der Blätter. Die Pfefferbäume flochten das Mondlicht in ihre langen Zöpfe.

6
    Die kreisförmige Wendestelle vor dem Haus kam wieder in  Sicht. Die Pietà. Der Säulenvorbau.
    Sandy war ins Haus gegangen. Die Haustür war geschlossen.
    Ich blieb auf dem Rasen, nutzte die Deckung von Bäumen und Büschen und schlich auf die Rückseite des Hauses. Von einer tiefen, offenen Veranda führte eine Treppe hinab zu einem zwanzig Meter langen Swimmingpool, einem riesigen Ziegelpatio und streng geometrischen Rosenbeeten. Von den der Öffentlichkeit zugänglichen Räumen des Gebäudes konnte man nichts davon sehen.
    Eine Stadt von der Größe der unsrigen verzeichnet pro Jahr fast zweihundert Geburten und einhundert Todesfälle. Hier gab es nur zwei Bestattungsunternehmen, und das der Kirks machte über siebzig Prozent dieses Geschäfts. Dazu kam etwa noch einmal halb soviel aus den kleineren Städten im Bezirk. Der Tod ermöglichte Sandy ein gutes Leben.
    Tagsüber mußte der Blick vom Patio atemberaubend sein: unbewohnte Hügel, die sich im Osten in sanften Falten erhoben, so weit das Auge sehen konnte, geschmückt von vereinzelten Eichen mit knorrigen schwarzen Stämmen. Nun lagen die in Dunkelheit gehüllten Hügel wie schlafende Riesen unter fahlen Laken da.
    Nachdem ich niemand an den erhellten Fenstern in der Rückseite des Hauses sah, lief ich schnell über den Innenhof. Der Mond trieb, weiß wie ein Rosenblütenblatt, auf dem tintenschwarzen Wasser des Swimmingpools.
    An das Haus grenzte eine geräumige, L-förmige Garage, die wiederum einen Hof umschloß, den man nur von vorn betreten konnte. Auf

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