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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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andere hing hinab.
    Hinter der inneren Tür befand sich ein langer, schmaler, größtenteils leerer Raum. Nur einige der Deckenlampen, die an Ketten zwischen freiliegenden Wasser- und Heizungsrohren hingen, waren eingeschaltet, aber ich nahm die Sonnenbrille nicht ab.
    An seinem Ende erwies dieser Raum sich als Teil eines größeren, L-förmigen, und der nächste Abschnitt, der sich nach rechts öffnete, war größer und breiter als der erste, aber kaum besser erhellt. Dieser zweite Teil wurde als Lagerraum genutzt, und auf der Suche nach den Stimmen kroch ich an Kisten mit Vorräten vorbei, Dekorationen für verschiedene Festtage und Feiern sowie an Aktenschränken voller Kirchenunterlagen.Überall versammelten sich die Schatten wie beim Konvent von Mönchen in Kutten und Kapuzen, und ich nahm die Sonnenbrille ab.
    Die Stimmen waren besser zu hören, als ich vorwärts schlich, aber die Akustik war schrecklich, und ich konnte noch immer keine einzelnen Wörter ausmachen. Pinn schrie zwar nicht, war aber wütend, was ich an dem tiefen, drohenden Ton in seiner Stimme erkannte. Der andere Mann klang, als würde er versuchen, den Leichenbestatter zu besänftigen.
    Eine vollständig aufgebaute, lebensgroße Krippe nahm die Hälfte des Raumes ein: nicht nur Josef und die Jungfrau Maria an einer Wiege mit dem Christuskind, sondern auch die drei Weisen aus dem Morgenland, Kamele, Esel, Lämmer und Engel als Boten. Der Stall war aus Holz gefertigt, und die Heuballen waren echt; die Menschen, Tiere und Engel bestanden aus Gips über Maschendraht und Holzlatten, und ihre Gesichtszüge und Kleidungsstücke waren von einem begabten Künstler bemalt worden und wurden von einem wasserdichten Lack geschützt, der ihnen selbst in diesem schlechten Licht einen übernatürlichen Glanz verlieh. Dem Werkzeug, der Farbe und anderen Materialien in der Nähe des Krippenbilds entnahm ich, daß gerade Ausbesserungen vorgenommen wurden; danach würde man die Krippe bis zur Weihnachtszeit unter einer Schutzfolie aufbewahren.
    Allmählich konnte ich einzelne Worte von Pinns Gespräch mit dem unbekannten Mann verstehen. Ich trat zwischen die Figuren, von denen einige größer als ich waren. Die Szene war verwirrend, da die einzelnen Elemente nicht zur Ansicht aufgebaut waren: keines stand in richtiger Beziehung zu den anderen. Einer der Weisen aus dem Morgenland hielt das Gesicht in den Schalltrichter der gehobenen Trompete eines Engels, und Josef schien sich mit einem Kamel zu unterhalten. Das Jesuskind lag unbeaufsichtigt in seiner Krippe, die ganz außen auf einem Heuballen stand. Maria hatte ein seliges Lächeln und einen bewundernden Blick aufgesetzt, doch das Objekt ihrer Hingabe war nicht das heilige Kind, sondern ein verzinkter Eimer. Ein anderer Weiser schien einem Kamel in den Arsch zu sehen.
    Ich wand mich durch dieses unorganisierte Krippenbild, und als ich sein Ende erreicht hatte, nutzte ich einen Laute spielenden Engel als Deckung. Ich stand im Schatten, und als ich an der Krümmung eines halb zusammengerollten Flügels vorbeischaute, sah ich Jesse Pinn etwa sechs Meter entfernt im Licht, wie er am Fuß der Treppe, die zum Erdgeschoß der Kirche hinaufführte, einen anderen Mann einschüchterte.
    »Man hat dich gewarnt«, sagte Pinn und hob seine Stimme, bis sie fast wie ein Schnauben klang. »Wie oft hat man dich gewarnt?«
    Zuerst konnte ich den anderen Mann nicht sehen, da Pinn ihn verdeckte. Er sprach ruhig und gleichmäßig, und ich konnte nicht hören, was er sagte.
    Der Leichenbestatter reagierte empört und schritt erregt auf und ab, fuhr sich mit einer Hand durch das unordentliche Haar.
    Nun sah ich, daß der zweite Mann Father Tom Eliot war, der Pfarrer von St. Bernadette.
    »Du Narr, du blöder Scheißkerl«, sagte Pinn wütend und verbittert. »Du schwafelnder, gottesfürchtiger Depp.«
    Father Tom war eins siebzig groß, untersetzt und hatte das ausdrucksstarke und gummiartige Gesicht eines natürlichen Komikers. Obwohl ich nicht Mitglied seiner – oder irgendeiner  – Kirche war, hatte ich mich mehrfach mit ihm unterhalten, und er schien ein außerordentlich gutmütiger Mann mit einem selbstkritischen Sinn für Humor und einer fast kindlichen Begeisterung für das Leben zu sein. Mir war völlig klar, warum seine Schäfchen für ihn schwärmten.
    Pinn schwärmte nicht für ihn. Er hob eine skeletthafte Hand und zeigte mit einem knochigen Finger auf den Priester: »Du kotzt mich an, du selbstgerechtes

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