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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Gesetzen abschrecken lassen, die den Besitz von Lockaids verboten. Vielleicht gab es einige Dinge, die er nicht tat. Vielleicht würde er unter keinen Umständen eine Nonne von einer Klippe stoßen. Als ich mich jedoch an Pinns scharfgeschnittenes Gesicht und das Stilett-flackern seiner rotbraunen Augen erinnerte, als er am heutigen Abend zum Fenster des Krematoriums gegangen war, hätte ich auf die Nonne keinen Cent gesetzt.
    Der Leichenbestatter mußte den Lockaid fünf Mal betätigen, bis er alle Stifte hochgeschoben und das Schloß geöffnet hatte. Nachdem er am Türknopf gedreht hatte, steckte er das Gerät wieder in die Tasche zurück.
    Als er die Tür nach innen schob, erwies der fensterlose Kellerraum sich als beleuchtet. Ich sah Pinn in der Silhouette, wie er vielleicht eine halbe Minute lang lauschend auf der Schwelle stand, die knochigen Schultern nach links gedreht und den leicht gesenkten Kopf nach rechts. Sein vom Wind zerzaustes Haar sträubte sich wie Stroh. Plötzlich richtete er sich abrupt auf, mit einem Ruck, wie eine unvermittelt lebendig gewordene Vogelscheuche, die ihr Haltekreuz abschüttelte, ging hinein und stieß die Tür hinter sich nur halb zu.
    »Bleib«, flüsterte ich Orson zu.
    Ich ging die Treppe hinab, und mein gut erzogener und stets gehorsamer Hund folgte mir.
    Als ich ein Ohr an die halb geöffnete Tür legte, hörte ich im Kellerraum kein Geräusch.
    Orson steckte schnüffelnd die Schnauze durch den einen halben Meter breiten Spalt, und obwohl ich ihm einen leichten Klaps auf den Kopf gab, zog er sich nicht zurück.
    Ich beugte mich über den Hund und steckte ebenfalls die Schnauze in die Öffnung, nicht um zu schnüffeln, aber weit genug, um auszumachen, was dahinter lag. Ich kniff die Augen gegen das Neonlicht zusammen und sah einen etwa sieben mal vierzehn Meter großen Raum mit Wänden und Decke aus Beton und einer Einrichtung, die die Kirche und den angeschlossenen Flügel mit den Zimmern der Sonntagsschule beheizte: fünf Gasöfen, einen großen Boiler, Sicherungskästen und Maschinen, deren Zweck ich nicht kannte.
    Jesse Pinn hatte diesen ersten Raum bereits zu drei Vierteln durchquert und näherte sich einer geschlossenen Tür in der gegenüberliegenden Wand. Er hatte mir den Rücken zugedreht.
    Ich trat von der Tür zurück und nahm das Brillenetui aus meiner Hemdtasche. Der Klettverschluß öffnete sich mit einem Geräusch, das mich an eine Schlange denken ließ, die eine Blähung abgehen ließ, wenngleich ich nicht wußte, wieso, denn ich hatte noch nie im ganzen Leben gehört, wie eine Schlange eine Blähung abgehen ließ. Meine bereits erwähnte lebhafte Phantasie war ins Obszöne abgeglitten.
    Als ich die Brille aufgesetzt hatte und wieder in den Raum hineinschaute, war Pinn schon im zweiten Kellerraum verschwunden. Die Tür in der gegenüberliegenden Wand stand ebenfalls halb offen, und helles Licht flackerte dahinter.
    »Der Kellerraum hat einen Betonboden«, flüsterte ich. »Meine Nikes kann man nicht hören, aber deine Pfoten werden scharren. Also bleib.«
    Ich drückte die Tür vor mir auf und schob mich in den Keller.
    Orson blieb draußen, am Fuß der Treppe. Vielleicht gehorchte er diesmal, weil ich ihm einen logischen Grund dafür genannt hatte.
    Vielleicht aber auch, weil er irgend etwas gerochen hatte und nun wußte, daß er schlecht beraten war, den Kellerraum zu betreten. Der Geruchssinn von Hunden ist tausendmal schärfer als der unsere und verschafft ihrem Gehirn mehr Daten, als dem menschlichen sämtliche unserer Sinne zusammen.
    Mit der Sonnenbrille war ich vor dem Licht sicher und konnte noch genug sehen, um den Raum zu durchqueren. Ich mied die offene Mitte, blieb bei den Öfen und anderen Geräten, wo ich mich in eine Nische drücken und vielleicht verstecken konnte, falls ich hörte, daß Jesse Pinn zurückkam.
    Die Zeit und der Schweiß hatten mittlerweile sicher die Wirkung des Sonnenschutzmittels auf meinem Gesicht und den Händen verringert, aber ich hoffte darauf, daß die Rußschicht mich jetzt schützte. Meine Hände schienen in schwarzen Seidenhandschuhen zu stecken, und ich ging davon aus, daß mein Gesicht ähnlich maskiert war.
    Als ich die innere Tür erreichte, hörte ich zwei ferne Stimmen, beide männlich, eine davon war die Pinns. Sie waren gedämpft, und ich konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde.
    Ich warf einen Blick zur äußeren Tür. Orson stand noch dort und spähte zu mir herein. Ein Ohr hatte er aufgerichtet, das

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