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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nichts gewußt hatte, und so hatte jeder der beiden mehr miteinander gemein als mit mir. Ich konnte mir durchaus vorstellen, daß Father Tom nach Jesse Pinn rief, wenn er mich sah, und der Leichenbestatter mit flatterndem schwarzen Anzug zurücklaufen würde, während zwischen seinen dünnen Lippen die unheimliche Katzenmusik vibrierte.
    Außerdem hielten Pinn und seine Leute offensichtlich die Schwester des Priesters irgendwo fest. Ihre Gefangenschaft gab ihnen praktisch einen Hebel und einen Drehpunkt, um Father Tom zu manipulieren, während ich überhaupt keinen Ansatzpunkt hatte.
    Die furchteinflößende Musik der drehenden Ketten wurde allmählich schwächer, und das Lichterschwert beschrieb einen ständig kleiner werdenden Kreisbogen.
    Ohne Protest, ja sogar ohne ein unfreiwilliges Stöhnen, richtete der Priester sich auf die Knie auf und stemmte sich dann auf die Füße. Er war nicht imstande, völlig aufrecht zu stehen. Gekrümmt wie ein Affe legte er eine Hand auf das Geländer und zog sich mühsam die steile, ächzende Treppe zur Kirche über dem Keller hinauf. Nichts an seinem Gesicht oder Körper wirkte noch komisch.
    Sobald er endlich die oberste Stufe erreicht hatte, würde er das Licht ausschalten, und ich würde hier unten allein in einer Dunkelheit sein, die selbst St. Bernadette persönlich, die Wunderwirkerin von Lourdes, entmutigen könnte. Ich mußte zurück zur Tür.
    Bevor ich mir den Weg durch die lebensgroßen Krippefiguren bahnte, hob ich zum erstenmal den Blick zu den bemalten Augen des Laute spielenden Engels vor mir – und sah ein Blau, das dem meiner eigenen entsprach. Ich betrachtete den Rest der Gesichtszüge aus lackiertem Gips, und trotz des schwachen Lichts war ich davon überzeugt, daß es sich um das meine handelte.
    Diese Ähnlichkeit lähmte mich geradezu vor Verwirrung, und ich versuchte verzweifelt zu ergründen, wie dieser Christopher-Snow-Engel hier auf mich hatte warten können. Ich habe mein eigenes Gesicht nur selten im Hellen gesehen, kenne aber seine Reflexion von den Spiegeln in meinen schwach erhellten Zimmern, und dieses Licht hier war ganz ähnlich. Es handelte sich zweifellos um mich: selig lächelnd, wie ich es nur selten tue, idealisiert, aber um mich.
    Seit meinem Erlebnis in der Krankenhausgarage schien jeder Vorfall, jeder Gegenstand Bedeutung zu haben. Ich konnte die Möglichkeit eines reinen Zufalls nicht mehr in Betracht ziehen. Wohin ich auch sah, strömte die Welt Unheimlichkeit aus.
    Das war natürlich der Weg in den Wahnsinn: Ich lief Gefahr, das gesamte Leben als eine einzige ausgeklügelte Verschwörung zu sehen, die eine Elite von Manipulateuren inszeniert hatte, die alles sehen und alles wissen. Logisch ist die Erkenntnis, daß Menschen unfähig sind, Verschwörungen in großem Maßstab aufrechtzuhalten, weil wir als Spezies nun einmal zur Ungenauigkeit im Detail und zur Panik neigen und einfach nicht den Mund halten können. In Anbetracht des Kosmos sind wir sogar kaum fähig, uns die Schuhe zuzubinden. Falls es in der Tat irgendeine geheime Ordnung des Universums geben sollte, ist sie bestimmt nicht unser Werk. Wir wären wahrscheinlich nicht einmal imstande, sie zu begreifen.
    Der Priester hatte ein Drittel der Treppe bewältigt.
    Verwirrt betrachtete ich den Engel.
    Jahr für Jahr war ich zur Weihnachtszeit an vielen Abenden die Straße entlanggeradelt, an der die St. Bernadette steht. Die Krippe war stets auf den Rasen vor der Kirche aufgebaut gewesen, und jede Figur hatte an ihrem Platz gestanden. Keiner der Weisen, die Geschenke brachten, hatte den Eindruck erweckt, Proktologe zu sein und sich auf Kamele spezialisiert zu haben. Aber dieser Engel war nicht unter ihnen gewesen. Oder ich hatte einfach nicht gesehen, daß er je dort stand. Die wahrscheinlichste Erklärung lautete natürlich, daß das Krippenbild immer zu hell erleuchtet gewesen war, als daß ich das Risiko hätte eingehen können, es in allen Einzelheiten zu bewundern; der Christopher-Snow-Engel war wahrscheinlich immer Teil des Bildes gewesen, aber ich hatte stets das Gesicht von ihm abgewandt und die Augen zugekniffen.
    Der Priester war auf halber Höhe der Treppe und bewegte sich nun schneller.
    Dann fiel mir ein, daß Angela Ferryman Mitglied der Gemeinde von St. Bernadette gewesen war. Nachdem sie sich einen gewissen Ruf als Puppenmacherin verschafft hatte, hatte man zweifellos auf sie eingewirkt, ihr Talent auch beim Bau der Krippe zur Verfügung zu stellen.
    Ende des

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