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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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während er die drei Elfenbeinknöpfe eines braunen Schwalbenschwanzrocks schloß. Fertig angekleidet sah er ein wenig wie der Mann auf dem Etikett einer alten Johnnie-Walker-Flasche aus. »Es ging nichts daraus hervor, was geeignet wäre, den Fall in die Presse oder gar vor einen Kongreßausschuß zu bringen. Ein ganz normaler Fall. Zwei Ausschußmitglieder hatten etwas gegen ihn, vier weitere gingen lieber auf Nummer Sicher, als Risiken auf sich zu nehmen, und im Ganzen fiel mir eine Konzentration auf unwichtige Details und eine völlige Vermeidung aller Fragestellungen auf, die das eigentliche Potential von Ab Leesings Arbeit hätten berühren können.«
    »Und was beweist das für Sie? Wozu brauchen wir einen weiteren Biophysiker?«
    »Das Projekt krankte bisher daran, daß das Problem des Kältetiefschlafs nicht gelöst werden konnte, nicht wahr?« sagte Rafe. »Sitzen Sie still und bleiben Sie ruhig, Martin. In ungefähr neun Stunden wird man Sie hier herauslassen.«
    Er schloß die Tür zur Gerätekammer, sperrte ab und zog den Schlüssel vom Sicherheitsschloß. Martin sagte etwas hinter der Tür, aber Rafe wandte sich bereits ab und konnte die Bedeutung der Worte nicht mehr verstehen.
    Er durchquerte rasch die Turnhalle und verließ sie durch die Tür, zu der Martin wenige Minuten zuvor hereingekommen war. Draußen im weißgestrichenen Korridor wandte er sich nach rechts und ging ihn entlang, bis eine Zwischentür ihn in einen weiteren Abschnitt entließ, der mit Läufern ausgelegt war und dessen plastikbeschichtete Metallwände eine Holzvertäfelung imitierten. Es war ein Abkürzungsweg durch die Wohnquartiere der Kosmonauten, die hier in der Mondbasis des Projekts »Ferner Stern« lebten. Jeder hatte seine kleine Wohnung. Eine der Wohnungstüren stand offen, und Mary Vail kam heraus, eingehüllt in Musik von einem Abspielgerät in ihrem Wohnraum.
    Anders als Tannina Or, die andere Frau unter den vier Kosmonauten, gehörte Mary zu den Leuten, die sich mit Musik betäuben konnten. Sie hatte es mit Erfolg getan, besonders in diesem letzten Jahr. Nun verhielt sie unter der Türöffnung und staunte seine Kleidung an – ein schmächtiges, dunkelhaariges Mädchen mit goldenen Augen.
    »Du gehst zur Erde?« fragte sie.
    »Mit der Fähre.« Er blieb einen Moment bei ihr stehen. »Während Martin in der Gerätekammer der Turnhalle eingesperrt bleibt. Könntest du mithelfen, die anderen für die nächsten neun Stunden von dort fernzuhalten?«
    Sie nickte. Plötzlich warf sie ihre Arme um ihn und klammerte sich an ihn wie ein Kind.
    »Tu etwas!« sagte sie an seiner Brust. »Irgend etwas!«
    »Ich werde es versuchen«, sagte er.
    Er tätschelte sanft ihr dunkles Haar. Er war seltsam. Sie liebten einander nicht, aber nach vier Jahren waren sie einander auch nicht gleichgültig. Mit seinen Händen fühlte er die Unglücklichkeit in ihr, und für eine Sekunde war es da – alles Leid der Welt in einem kleinen Körper. Er spürte es tief in seinem Innern, das beinahe telepathische Mitempfinden, das immer ein Talent von ihm gewesen war.
    Plötzlich war ihm klar, wie Mary Vail empfand – geradeso, als ob er sie selbst wäre.
    Sie löste sich von ihm und trat in ihre Tür und den Klang ihrer Musik zurück.
    »Ich werde aufpassen«, sagte sie. »Sei vorsichtig.«
    Er nickte.
    »Verlaß dich darauf«, sagte er und ging weiter den Korridor entlang, vorbei an den drei anderen geschlossenen Türen, von denen eine zu seiner Wohnung gehörte, und schließlich durch eine Luftschleuse in die Lagerhalle mit ihren nackten Metallwänden, Kistenstapeln und Ersatzteilregalen.
    Am anderen Ende der Lagerhalle war der Tunneleingang zur Fähre. Die Fähre ruhte dort auf ihren Katapultlagern, und in ihrer offenen Luftschleuse stand Peer Wallace, ein Mitglied der Besatzung, nachlässig und mit verdrießlicher Miene Wache. Bei Rafes Anblick hellte sich sein Gesichtsausdruck ein wenig auf.
    »Hallo, Peer«, sagte Rafe, zog seinen Kopf ein und trat durch die ovale Öffnung der Luftschleuse. Das Geräusch der Druckpumpe hämmerte in ihren Ohren und zwang Rafe, seine Stimme zu heben. »Wo ist Charlie?«
    »Vorne«, sagte Wallace. »Aber mach schnell. Wir sind abgefertigt und warten nur noch auf den Chef.« Er warf einen neugierigen Blick auf Rafes Kleidung. »Gehst du auch mit uns?«
    »Charlie wird es dir erklären«, sagte Rafe. Er stieg durch die Luftschleuse und ging nach vorn. Der Verbindungsgang war so schmal, daß er sich beinahe seitwärts

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