Geschöpfe der Nacht
und seinetwegen hast du den Himmel für die Hölle eingetauscht.
Er war eins von allen lebenden Wesen, antwortete Rafe, und du warst es, der sein Leben verschwendete und ihm den Tod gab.
Er ging jetzt gegen die Kraft Shankars an, die ihn vom Thron fernzuhalten suchte, und es war wie das Ersteigen einer vertikalen Wand. Das letzte Licht schwand, und er war blind. Doch das Wissen, wo Shankar wartete, konnte nicht blockiert werden, und er bewegte sich auf den Alten Mann zu.
Du hättest mir glauben sollen, als ich dir sagte, daß deine Kraft niemals an die meine heranreichen kann. Du hast weniger als den halben Weg zurückgelegt.
Ich komme voran, sagte Rafe.
Die Luft verschwand um ihn. Es gab nichts zu atmen. Alle Wärme ging, außer der, die er in sich hatte. Er mühte sich weiter, und die Kälte und die Luftlosigkeit drückten auf seinen Willen.
Du bist schon halb tot, erreichte ihn Shankars Verstehen. Und ich warte hier, und in mir ist die Kraft Tausender toter Generationen. Alles, was dich aufrechthält, ist das bißchen guter Wille der heute Lebenden.
Wenn getötet werden könnte, was ich trage, antwortete Rafe, dann wäre die menschliche Rasse längst gestorben, und ich mit ihr. Belüge mich nicht, Vater der Lügen. Die Kraft, die zu mir kommt, ist unzerstörbar und älter als diejenige, die dich erreicht.
Er war jetzt nahe – er fühlte die Gegenwart von Shankar, weniger als einen Bruchteil von einem Universum entfernt.
Nur noch ein wenig weiter, sagte Shankar. Du bist deinem Tod nahe. Tröste dich mit dem Traum, daß deine Kraft älter und größer sei als die meine, solange du es kannst. Sie wird mit dir untergehen. Helden sterben, aber das Böse stirbt niemals. Es ist überall. Glaubst du, Shaitan sei tot, weil der Wolf ihn auf dein Geheiß tötete? Warte ein paar Jahre, und er wird wieder sein, in anderer Gestalt.
Rafe tat einen letzten Schritt und fühlte Shankar endlich so nahe, daß er ihn berühren konnte.
Nun, sagte Shankar, bist du da. Du bist so weit gekommen, mich zu zerstören, aber du hast nur deine eigene Zerstörung bewirkt. Nun zeige ich auf dich, wie ich auf jeden anderen zeigte, und ich sage zu dir, wie ich zu ihm sagte:
Du hast mich beleidigt, Rafael Harald, und ich befehle dir, zu sterben!
Aus der Dunkelheit, die Thebom Shankar noch immer verbarg, berührte etwas Rafes Brust. Es war wie das Ende einer unnachgiebigen Eisenstange, und es stach kalt durch die Wärmelosigkeit, die schon fast das Leben in ihm gefroren hatte. Er fühlte die Kälte bis in sein Herz brennen und wußte, daß er starb. Und noch hatten seine Hände Shankar nicht erreicht, der vor ihm in Dunkelheit thronte.
Ich werde, dachte er mit jedem Partikel von Kraft, das in ihm geblieben war; und er warf sich vorwärts in den Stab von Kälte, wie ein sterbender Krieger sich in das Schwert seines Gegners stürzt, um ihn wenigstens mit sich in den Tod zu reißen.
Seine Hände schlossen sich um Dunkelheit, und Dunkelheit kam in sein Bewußtsein und überwältigte es ganz …
Und so starb Rafe Harald.
Aber es war ihm nicht erlaubt, tot zu bleiben. Eine Zeit kam, da Sicht und Gehör zurückkehrten. Er begriff, daß er auf einem weißen Bett in einem weißen Raum lag und daß Gabrielle und Ab und andere von Zeit zu Zeit zu ihm kamen. Und eines Tages, als sie wieder bei ihm waren, konnte er sprechen. Sie lachten und redeten auf ihn ein und beglückwünschten ihn zu seiner Genesung, und er schüttelte langsam seinen Kopf und empfand eine hohle Bitterkeit, daß er sie enttäuschen mußte.
»Es ist vorbei«, sagte er. »Ich bin gestorben. Shankar tötete mich.«
»Komm schon, Rafe!« sagte Ab aufmunternd. »Wir wissen es besser. Dein Herz schlägt wie ein Metronom.« Er grinste ihn an. »Wir können nichts dafür, wenn du zu faul bist, aus deinem Bett zu steigen.«
Rafe lächelte nicht.
»Shankar«, murmelte er. »Wo ist er?«
»Eingeäschert«, antwortete Ab. »Wir dachten, wir sollten lieber sichergehen.«
»Sichergehen?« Rafe starrte ihn an. »Du meinst, er ist auch tot?«
»Du hast ihn getötet.«
»Ich?« Rafe lag in seinem Kissen und blickte langsam von einem zum anderen. »Das ist nicht möglich. Er tötete mich zuerst.«
Sie schauten ihn ungläubig und halb mitleidig an, wie man jemanden anschaut, der in Fieberphantasien redet.
»Ich kann mich nicht erinnern, ihn angerührt zu haben«, sagte Rafe. »Wie kann ich ihn da getötet haben?«
»Du rührtest ihn an, würde ich sagen«, antwortete Ab mit einem
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