Gesellschaft in Angst - Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit
Strukturen und erfordern zudem einen extrem hohen Sicherheitsaufwand.
Nun kann eine moderne Gesellschaft sicherlich nicht ohne zentrale Strukturen des Rechts, der Verwaltung, der militärischen und sozialen Sicherung auskommen. Angesichts der vielfältigen Probleme, denen wir uns gerade heute in Europa ausgesetzt sehen, kann vernünftigerweise auch nicht bezweifelt werden, dass wir die Demokratie in Europa stärken und eine handlungsfähige und verantwortliche europäische Exekutive schaffen müssen. Angesichts der gegenwärtigen Krise der EU beginnen hier und da sogar konservative Regierungen einzusehen, dass eine Harmonisierung der Fiskal-, Steuer- und Sozialpolitik der Mitgliedsstaaten der EU unter der Kontrolle eines in seinen Befugnissen erheblich erweiterten Europaparlaments dringend erforderlich ist, wenn das europäische
Projekt nicht scheitern soll. Aber dies muss keineswegs bedeuten, dass in Zukunft möglichst alles in Brüssel oder Straßburg entschieden wird und die Kompetenzen der nationalen, der Landes- bzw. der Regional- und der Kommunalparlamente entsprechend immer weiter reduziert werden. Eine solche Überzentralisierung wäre in vieler Hinsicht gefährlich. Im Gegenteil käme es darauf an, durch kluge Entscheidungen auf der jeweils höheren Ebene Raum zu schaffen für Selbstbestimmung und Eigenaktivität auf den unteren Ebenen. In vielen Bereichen ist es in der Tat sinnvoll, dezentralen Entscheidungs- und Leistungsstrukturen Vorrang vor zentralen einzuräumen. Der Grundgedanke des altehrwürdigen Subsidiaritätsprinzips , die Forderung nämlich, die Dinge, die sich in kleineren Einheiten ressourcenschonend, kostengünstig, bedürfnisgerecht und risikoärmer regeln lassen, nicht auf die jeweils höhere Ebene zu verlagern, ist durchaus einleuchtend – unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten, aber auch unter ökologischen.
Wenn wir die sich anbahnende Klimakatastrophe verhindern wollen, ist weitgehende Dezentralisierung, vor allem bei den Versorgungsstrukturen, zweifellos eine richtige Maßnahme. Schon heute gehen vermehrt Menschen bewusst wieder dazu über, Produkte ihres täglichen Bedarfs nach Möglichkeit aus der näheren Umgebung zu beziehen. Das gilt für Nahrungsmittel, Möbel, Geschirr, Kleidung, Kinderspielzeug etc. Manchmal, nicht immer, müssen sie dafür noch einen höheren Preis bezahlen als für die Massenprodukte, die auf den globalen Märkten angeboten werden. Aber auch die Vorteile einer solchen Nahbereichsversorgung liegen auf der Hand: Teure und umweltbelastende Verpackung und die entsprechende Entsorgungsarbeit auf der Seite der Konsumenten können zumeist eingespart werden; die kürzeren Transportwege bedeuten weniger Emissionen und weniger Lärmbelästigung durch Lastwagenverkehr; die engere, manchmal sogar
persönliche Beziehung zwischen Konsumenten und Produzenten ermöglicht eine sorgfältigere Berücksichtigung der jeweiligen Konsumentenbedürfnisse und lässt es von vornherein angeraten erscheinen, den Konsumenten keine unfairen Nachfolgekosten aufzubürden; viele die Gesundheit der Verbraucher gefährdende Maßnahmen zur Haltbarmachung von Nahrungsmitteln können entfallen.
Selbst wenn man die übergeordneten ökologischen Gesichtspunkte außer Acht lässt, kann man sich also – aus wohlverstandenem Eigeninteresse – für eine weitgehende Versorgung aus dem Nahbereich entscheiden. Voraussetzung ist allerdings, dass es in der näheren Umgebung Geschäfte, landwirtschaftliche oder handwerkliche bzw. kleingewerbliche Betriebe gibt, die die entsprechenden Güter anbieten. Hier zeigt sich, dass Entscheidungen zugunsten ökologisch vernünftigerer Alternativen zumeist nicht allein individuell getroffen werden können, sondern durch politische Rahmenentscheidungen (hier vor allem kommunalpolitische und regionale Planungen und ordnungspolitische Rahmensetzung) ermöglicht und gefördert werden müssen.
Ähnliche Überlegungen lassen sich auf den unter ökologischen Gesichtspunkten so wichtigen Bereich der Energieversorgung anwenden. Um Leitungsverluste zu minimieren und im Falle von Störungen den Schaden in Grenzen zu halten, empfiehlt es sich, auch die Energieversorgung nach Möglichkeit dezentral zu organisieren. Das ist im Übrigen auch das Organisationsprinzip, das den regenerativen Energien am angemessensten ist: Solarenergie kann oft auf dem Dach, Erdwärme im Garten, Wasserkraft am nahen Bach oder Fluss gewonnen und direkt am Gewinnungsort
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