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Gesellschaft in Angst - Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit

Gesellschaft in Angst - Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit

Titel: Gesellschaft in Angst - Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johano Strasser
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des Weltfinanzmarkts. Die verbindliche Regulierung des Weltfinanzmarkts, die Durchsetzung einer Transaktionssteuer, am besten als unabhängige Finanzquelle für die Vereinten Nationen, die Zerschlagung der sich jeder politischen Kontrolle entziehenden Großbanken, der Ausbau einer Weltgerichtsbarkeit mit wirksamen Sanktionsmöglichkeiten nach Maßgabe des vollständigen Katalogs der Menschenrechte und die Durchsetzung einer auf wichtige gemeinsame
Anliegen bezogenen Weltinnenpolitik der UNO, das sind heute nicht nur wünschenswerte, sondern notwendige Institutionalisierungen.
     
    Nun wird man einwenden können, dass die vollständige Durchsetzung einer solchen globalen Ordnung in baldiger Zukunft wohl kaum zu erwarten ist. Allzu offensichtlich ist es, dass sich einzelne Staaten oder Staatengruppen an veraltete Vorstellungen von Souveränität klammern; die einen, weil sie immer noch glauben, auf sich allein gestellt besser ihre Interessen durchsetzen zu können, die anderen, weil sie fürchten, überständige autoritäre oder despotische Herrschaftsverhältnisse  – von denen sie zumeist fälschlicherweise behaupten, dass sie auf der kulturellen Besonderheit ihrer Völker beruhen – in einer offenen Weltgesellschaft nicht länger aufrechterhalten zu können. Allerdings ist heute eine Politik der »splendid isolation«, erst recht, wenn sie, wie in Nordkorea oder im Iran, alles andere als splendid ist, nicht mehr durchzuhalten. Ein Staat, der sich vom Rest der Welt abschottet, ist heute schlicht nicht lebensfähig. Man wird sich also auf einen zwar mühsamen, aber im Grunde doch unaufhaltsamen Prozess der weiteren Zunahme globaler Verflechtung auf allen Gebieten einstellen müssen – auch wenn die Institutionalisierung eines verlässlichen globalen Rechtsrahmens und einer in diesem Rahmen operierenden Weltinnenpolitik wohl noch auf sich warten lassen wird.
     
    Umso wichtiger wird für uns in Europa die demokratische Vertiefung der Europäischen Union. In dieser komplizierten Großregion können wir erproben, was im Weltmaßstab heute noch nicht möglich zu sein scheint. Für die Staaten Europas gilt in besonderem Maße, was heute mehr oder weniger in allen Teilen der Welt gilt: dass moderne Gesellschaften bei Strafe ihrer Selbstzerstörung auf die vielfältigen Probleme der Globalisierung weder mit immer weiter getriebener Zentralisierung
der Entscheidungsstrukturen noch mit dem Rückzug in nationale Wagenburgen antworten können. Was wir in Europa brauchen, ist ein einheitlicher Rechtsraum, eine funktionierende europäische Demokratie mit einer handlungsfähigen Regierung unter der Kontrolle eines in seinen Rechten erheblich gestärkten Europäischen Parlaments. Unverzichtbar ist aber zugleich eine klare Kompetenzverteilung, die den Einzelstaaten die Zuständigkeit für jene Aufgaben überlässt, die auf der Ebene der einzelnen Staaten, der Länder und Regionen und der Kommunen bewältigt werden können. Kurz: Die notwendige Zentralisierung der Entscheidungen in einzelnen Bereichen darf nicht zulasten der kulturellen Vielfalt und der komplementären Strukturen der Selbstverwaltung und Eigenaktivität in kleineren Einheiten gehen. Vielmehr sollten die Entscheidungen auf den oberen Ebenen gemeinsam anzustrebende Ziele in wichtigen Feldern zwar verbindlich festlegen, aber nicht auch noch in allen Details die Mittel zur Erreichung dieser Ziele vorschreiben. Nur so kann sichergestellt werden, dass auf den unteren Ebenen Raum für Eigenaktivität bleibt und bei der Erfüllung der verbindlich festgelegten Ziele nach den je unterschiedlichen regionalen und lokalen Bedingungen, den je unterschiedlichen materiellen wie kulturellen Ressourcen eigene Wege gegangen werden können.
     
    Die Euro- und Schuldenkrise hat in Europa die Einsicht wachsen lassen, dass eine gemeinsame Währung ohne eine Harmonisierung der Fiskalpolitik nicht zu haben ist. Das ist nach der Traumtänzerei, die bisher in diesem Punkte geherrscht hat, immerhin etwas. Was aber immer noch verdrängt wird, ist, dass auch eine Harmonisierung der Steuer- und Abgabenpolitik und eine effizientere regionale Entwicklungspolitik zur Stabilisierung der Eurozone unerlässlich sind. Nur wenn der Unterbietungswettbewerb auf dem Gebiet der Steuern und Abgaben unterbunden wird, können die europäischen Staaten
ihre sozialen Sicherungssysteme auf Dauer stabilisieren, und nur, wo die Menschen sich darauf verlassen können, dass sie im Notfall nicht ins Bodenlose

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