Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
Kettler auf, ruhig und kühl, es war sein neuerlicher Versuch, sich als Alternative zu Kurt aufzustellen. Werner bekräftigte, dass in ihren Büros nichts Unrechtmäßiges stattgefunden habe und auch nie stattfinden würde. Zumindest, solange man auf ihn hörte. Tatsächlich schienen Richter und Geschworene eher Werners Darstellung zu folgen und zeigten sich von den Dokumenten, die der junge Tietjen ihnen vorlegte, nur mäßig beeindruckt.
Was erwarten diese Leute, hatte Kurt seinen Anwalt Theo Wessner in einer Verhandlungspause gefragt. Dass es eindeutige Belege gibt? Dass man in unserer Familie seine Vergehen schriftlich festhält? Für wie blöd halten die uns denn? Natürlich zeichnet mein Vater ein falsches Bild von sich, jeder tut das, Menschen wollen nicht, dass man über sie redet.
Es gibt genügend Leute, die gern hätten, dass man über sie spricht, bemerkte Wessner.
Das sind Leute, über die nie geredet wird, erklärte Kurt Tietjen. Hier geht es um eine Familie, über die man redet, ganz gleich, was sie tut.
Dass es hier immer noch um die Tietjens gehe und nicht um die Familie Krupp. Außerdem, ermahnte ihn sein Anwalt, könnten seine Anschuldigungen gegen den Landtagsabgeordneten Hans-Dieter Bick selbst Gegenstand einer Verleumdungsklage werden.
Aber es hat die Absprache zwischen meinem Vater und ihm gegeben!, rief Kurt.
Was es gegeben hat, entscheidet am Ende die Presse, und der solltest du eine bessere Vorlage für ihre Artikel liefern.
Die Klage wurde durch die Verhandlungen geschoben, keine der Parteien stand sonderlich gut da. Die Schadenersatzsumme, die Kurts Anwalt ins Spiel gebracht hatte, wurde von Werner Kettler als absurd bezeichnet und zurückgewiesen. Geld für etwas, das überall geschah, wie Luises Onkel außerhalb der Gerichtsräume zu verstehen gab. Geld, das die Firma Tietjen überhaupt nicht mehr besaß.
Kurz schien sich die Stimmung zu Kurts Gunsten zu wenden. Eine Schande sei es, dass es vor einem deutschen Gericht noch immer derart schwierig sei, für eine gerechte Sache einzutreten, meinte eine linke Tageszeitung, und ein gemäßigtes Blatt befand, es sei »nicht nachvollziehbar, dass die Justiz sich in diesem Prozess, der über den Einzelfall hinaus Symbolcharakter gewinnen könnte, wenig kooperativ, ja nicht einmal besonders interessiert zeigt«.
Andere hingegen witterten weiterhin ein abgekartetes Spiel, in dem Vater und Sohn nur scheinbar gegeneinander kämpften, in Wahrheit aber am selben Strang zogen; es sei klar, behauptete eine konservative Zeitung, dass Kurt Tietjen mit dieser »Zauberaufführung« nur einen Nebenschauplatz zu schaffen versuchte, um von den schlechten Quartalszahlen abzulenken.
Es waren nicht allein solche Meldungen, die Kurts Erfolg verhindert hatten, jenes »linken Gutmenschen«, wie er von einem Rundfunkreporter spöttisch genannt wurde. Auch Geschäftskollegen gaben bald ihre Zweifel kund, unterstellten selbstsüchtige Motive, gekränkten Stolz, Überforderung.
Sogar das Interesse einer überregionalen Zeitung war geweckt worden, die eine Dossiergeschichte über den Prozess in Auftrag gab, in dem der Ankläger selbst zum Mittelpunkt der medialen Anklage wurde. Der junge Tietjen sei »überfordert«, »zu jung«, »ahnungslos«, eben »einer jener Thronfolger, wie es sie in der Geschichte vielfach gegeben hat und mit denen nur wenige umzugehen wissen, wie es etwa ein Berthold Beitz gewusst hat, der den jüngsten Krupp zum Verzicht auf die Nachfolge bewegte, um die Geschäfte jenen zu überlassen, die mehr davon verstehen«.
Nachdem der Artikel erschienen war, sah endgültig niemand mehr auf das Gerichtsverfahren, alle blickten nur auf den Tietjensohn. Die Lokalreporter wollten nichts von seinem Vater wissen, der die Gelder über Jahre hinweg unberechtigt eingestrichen haben sollte, sondern von ihm, dem einzigen Sohn, erst im vorangegangenen Jahr in die Geschäftsführung befördert, möglicherweise zu allein, um in dieser Position gelassen zu bleiben.
Journalisten riefen in der Firma an, um Details zu erfahren. Mitarbeiter, Vertreter, selbst die Putzkolonne wurde auf dem Parkplatz der Firma abgefangen und befragt. Die Zeitungen sollten sich um den Prozess kümmern, sagte Kurt zu seiner Frau, als das öffentliche Interesse seinen Höhepunkt erreichte. Um den Prozess, sagte er, und nicht um mich.
Du hast den Prozess gewollt, entgegnete Carola, für sie bist du das Ereignis.
Die Berichterstattung hatte genug Dreck aufgewirbelt, um eine
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