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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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zeitweilige Umsatzeinbuße im Tietjen’schen Unternehmen herbeizuführen, doch es war nicht das, was Kurt Sorgen machte. Zwischen all den Gerüchten hatte sich Luises Vater einer Meute Schaulustiger preisgegeben gefühlt. Er war zu einem Gefangenen geworden in einer von ihm selbst heraufbeschworenen Geschichte, und er hatte erst Carola, dann seinem Anwalt erklärt, dass er es mit seinem Vater und auch mit Werner durchaus aufnehmen könne, aber nicht mit einem ganzen Journalistenbataillon. Er wolle seine Ruhe haben. Carola und Wessner nickten, wenngleich sie beide überzeugt waren, dass Kurt in Wahrheit vor seinem Vater eingeknickt war.
    Werner Kettler hatte sich während des gesamten Prozesses zuversichtlich gezeigt, dass sein Schwager mit der Klage nicht durchkommen, dass keine Millionenstrafe anfallen würde und nicht einmal die eingestrichenen Subventionsgelder zurückgezahlt werden mussten. In der Prozesspause stand er mit dem Senior auf dem Gerichtsflur, redete ruhig auf den Alten ein, stützte ihn, wenn sie ein paar Schritte zusammen gingen. Der Senior hatte seinem Sohn während des gesamten Prozesses kein einziges Mal ins Gesicht geblickt, und als Kurt ihnen auf dem Flur entgegenkam, wandte der Senior sich zu seinem Schwiegersohn. Werner, bitte, könntest du dafür sorgen, dass wir ungestört sind? Ich verstehe nicht, warum manche Menschen meinen, den Judas spielen zu müssen. Was soll’s, am Ende hängen sie sich doch immer selbst.
    Wenig später geschah, was die meisten mittlerweile für richtig befanden: Kurt Tietjen ließ die Klage fallen.

V
     
    Über den Atlantik schipperten Schiffe von Bremerhaven nach New York, von Recife in den Hamburger Hafen, und auf der anderen Seite, im Pazifik, zogen sie von Kalifornien nach Bangladesch, von Sri Lanka nach Sydney. Die gute alte Sklavenarbeit hatte man nicht abgeschafft, man hatte sie nur exportiert.
    Im Flugzeug, kaum hatte Kurt den grauen Sicherheitsgurt um sich geschnallt, gerieten ihm die Gedanken außer Kontrolle. Er saß reglos an seinem Platz, mit dem erbärmlichen Bewegungsspielraum, den ihm die verstellbare Rückenlehne und die ausklappbare Fußstütze boten. Längere Flüge versuchte er in die Nacht zu legen, weil er immer noch hoffte, zumindest einen Teil der Zeit zu verschlafen, wenn ihm das bislang auch kein einziges Mal geglückt war. Auf Flügen brachen die Erinnerungen aus ihrer Ordnung aus, und alles tauchte ungeschützt vor ihm auf.
    Es war Herbst 2008, in einem halben Jahr würde Kurt Tietjen seine Reise nach New York antreten, von der er nicht mehr zurückkommen würde, das aber ahnte er noch nicht, er flog nach Schanghai, um neue Geschäfte zu machen und um alte Geschäfte am Laufen zu halten, was die größere Kunst war. Am Gate hatte zu Kurts Missfallen auch Hans-Dieter Bick gewartet, der bei den letzten Wahlen aus dem Landtag geflogen war. Jetzt war er Weinimporteur oder etwas in der Art. Kurt hatte versucht, sich zu verstecken, aber Politiker, vor allem jene, die nichts mehr zu melden hatten, wurde man nicht so leicht los.
    Kurt Tietjen?, rief Bick laut.
    Sie müssen mich verwechseln, entgegnete Kurt schroff und wandte sich ab.
    Verzeihen Sie, aber Sie sehen einem Bekannten von mir zum Verwechseln ähnlich.
    Mag sein, knurrte Kurt. Menschen sehen doch alle gleich aus.
    Während des Fluges saß er neben einem jungen Mann, der im Auftrag irgendeiner Zeitung oder gar eines Ministeriums (so genau hatte Kurt nicht hingehört) einen Bericht über die Zustände in chinesischen Fabriken verfassen sollte. Direkt vor ihnen saß Hans-Dieter Bick, blickte gelangweilt aus dem Fenster und schien, wie Kurt meinte, ihrer Unterhaltung mit halbem Ohr zu folgen. Kurt konnte gut darauf verzichten, dass Gerüchte über ihn und seine Chinareise nach Düsseldorf getragen wurden.
    Tietjen, stellte er sich deshalb flüsternd vor. Unterwegs für ein Textilunternehmen aus Essen.
    Sein Sitznachbar machte ein interessiertes Gesicht, wie es nur jungen Menschen gelingt, die noch keine großen Misserfolge erlebt haben. Freut mich, ich bin Gustav, antwortete er und reichte Kurt die Hand. Sie lassen in China produzieren? Dazu würde ich gern mehr erfahren, sagte er und zog eine Visitenkarte aus seiner Jacketttasche. Vielleicht können wir in Kontakt bleiben.
    Kurt nahm die Karte entgegen und entschuldigte sich, dass er keine von sich zur Hand hatte. Er werde sich bei ihm melden, beteuerte Kurt, woran er in Wahrheit keinen Moment lang glaubte, er hatte keine Lust,

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