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Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Titel: Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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schwarz. Eine Tönung, die sich auswaschen sollte, sodass keine andersfarbigen Haaransätze auftauchen und die Aufmerksamkeit von Leuten erwecken konnten, die nach solch leichtfertigem Verhalten Ausschau hielten. Mir war klar, dass das nicht viel half. Die mussten wissen, dass ich mein Äußeres verändern könnte. Trotzdem, irgendetwas musste ich tun.
    Ich betrachtete mein verändertes Spiegelbild. Die großen braunen Augen, die denen meiner Mutter so ähnlich waren, und die Stupsnase, die wir gemeinsam hatten. Mehr denn je wünschte ich nun, ich könnte mit ihr sprechen.
    »Ihr dürft die nicht zuerst bedienen«, beklagte sich der Mann, der aussah wie jeder andere Geschäftsmann, der auf der Suche nach Arbeit die Straßen ablief: schief sitzende Brille, gelockerte Krawatte, ein Hemd, das aus der Hose hing. Über der Schulter trug er eine Einkaufstasche aus Leinen, und er deutete auf einen Bogen Papier, während er die Mitarbeiterin der Suppenküche anbrüllte.
    »Sehen Sie? Sehen Sie es sich an. Genau, Kopf runter, das ist ein braves Mädchen.«
    Die Frau hinter dem Tresen sah aus, als wollte sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Ich stand fünf Leute weiter hinten in der Reihe, die sich jedoch aufzulösen begann, seit der Mann die Stimme erhoben hatte, und nun hörten alle zu.
    Ich sah, wie meine Mutter von ihrem Arbeitsplatz als Freiwillige an dem Kühllaster, in dem die verderblichen Lebensmittel gelagert wurden, herbeieilte und sich die Hände an der Schürze abwischte.
    »Wo liegt das Problem, Sir?« Ich erstarrte, als ich ihren Tonfall wahrnahm; sie war nur einen Schritt von einer bissigen Bemerkung entfernt.
    »Ach, Gott sei Dank, endlich ein vernünftiger Mensch. Sehen Sie, diese Kerle da vorn bekommen die gleichen Rationen wie eine Familie. Als wären sie eine Familie .«
    Der Blick meiner Mutter huschte zu den beiden jungen Männern rechts von ihr. Einer zog den anderen an der Schulter und sagte: »Komm, lass uns verschwinden, ja?« Der andere war rot angelaufen und schüttelte den Kopf.
    »Und?«, fragte Mom.
    Der Mann schnaubte erzürnt. »Das sind sie offensichtlich nicht. Sehen Sie hier. Artikel 3. Die Heile Familie besteht aus einem Mann, einer Frau und Kindern. Alle anderen Kombinationen sind nicht unter dem Titel Familie zu führen«, verkündete er und zeichnete Anführungszeichen in die Luft. »Und ihre Anhänger sollten keine Vergünstigungen, keinen Arbeitsplatz, keine Ausbildung und keine Gesundheitsförderung jedweder Art erhalten.«
    »Ah, die Moralstatuten.« Sie nahm ihm das Papier ab, und der Mann nickte den Leuten um ihn herum rechtschaffen zu. Ich musterte derweil finster seinen Rücken, und meine Mutter las. »Ich sehe da nichts darüber, dass sie keine Mahlzeiten erhalten sollten«, sagte sie nach einer Weile.
    Mir wurde eiskalt. In Gedanken befahl ich ihr, den Mund zu halten. Dieser Mann war kein Soldat, aber konnte sie jederzeit melden, wenn ihm danach war. Er konnte auch über den Tisch springen und sie direkt attackieren.
    Der Mann lachte, bis ihm aufging, dass meine Mutter nicht gescherzt hatte. Die beiden Männer, um die es ging, verstummten. Ich drängelte mich nach vorn, ohne zu wissen, was ich tun könnte, sollte er ausflippen.
    »So ist es aber eindeutig gemeint«, beharrte er.
    »Eindeutig nicht«, entgegnete sie und beugte sich über den Tisch. »Lassen Sie mich Ihnen erklären, was gemeint ist. Respekt. Und wenn Sie damit Probleme haben, dann empfehle ich Ihnen gern eine andere Suppenküche, die Leute bedient, die offenbar besser sind als der Rest von uns.«
    Ich lief rot an, teils aus Furcht, teils aus Stolz, und dieser Stolz erfüllte mich zur Gänze. Sie war so lebendig und energiegeladen in diesem Moment – ihre Miene forderte ihn regelrecht zu weiteren Protesten heraus. Ich spürte, wie mein Gesicht, das ihrem so ähnlich war, ihre Miene nachahmte, und dachte, ich sollte, wenn ich heimkäme, im Spiegel nachsehen, ob ich das Gefühl richtig gedeutet hatte.
    Der Mann machte kehrt, als wollte er davonstapfen, doch dann verzog er das Gesicht und kehrte an seinen Platz in der Reihe zurück. Meine Mutter war diejenige, die ihm seine Ration gab.
    »Sei nicht so ein Mädchen, Miller.« Sean schlug mit der Faust an die Tür und riss mich aus meiner Trance. »Du wirst noch gelyncht, wenn du das Bad noch länger blockierst.«
    Ich holte tief Luft, wohl wissend, dass ich mich nicht ewig verstecken konnte, und stellte mich den Dingen. Seans Gesicht durchlief eine Verwandlung,

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