Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
würde er schon ganz allein machen.«
Chase’ Hand spannte sich so kraftvoll um mein Bein, dass ich beinahe zusammengezuckt wäre.
»Nichts habt ihr gemeinsam«, warf ich ihm mit vor Wut zitternder Stimme an den Kopf.
Und dann drehte ich mich zu Chase um und küsste ihn.
Seine Lippen waren nicht so weich, wie ich es gewohnt war, auch nicht heiß und fordernd wie in der Nacht, in der wir uns so sehr aneinander geklammert hatten. Stattdessen öffneten sie sich nur überrascht, doch darüber hinaus zeigte er kaum eine Reaktion. Er berührte mich nicht einmal.
Ich umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn noch einmal, hielt die Augen fest geschlossen und presste meinen Mund beinahe schon schmerzhaft auf seinen. Ich konnte seine Verwirrung nicht ertragen, so wenig wie die bittere Erkenntnis, unter der sich seine Kiefermuskeln gleich darauf spannten. Alles, was ich wollte, war, dass Tucker sah, dass Chase mir gehörte und nichts, nicht einmal der Mörder meiner Mutter, uns auseinanderbringen konnte.
Er umfasste meine Hände und rückte langsam von mir ab. Ein Seitenblick verriet mir, dass Tucker gar nicht hinschaute; er war wieder voll und ganz damit beschäftigt, in den Whiskeykisten zu stöbern.
Mein ganzer Körper glühte auf eine kranke, abscheuliche Art, und plötzlich hatte ich das Gefühl, der Abstand zwischen mir und Chase wäre viel zu klein. Ehe er irgendetwas sagen konnte, senkte ich den Blick und wünschte still, ich könnte einfach verschwinden.
Tucker hatte mich geküsst, um Chase zu verletzen, und nun hatte ich das Gleiche getan, um Tucker zu verletzen. Um nichts in der Welt hätte ich etwas mit ihm gemeinsam haben wollen, und nun war es doch so gekommen.
»Em …« Aber ehe Chase weitersprechen konnte, schaltete der Lastwagen in einen anderen Gang, und ich musste mich auf meiner Sitzkiste festhalten.
»Sind wir da?« Billy, von dem Ruck geweckt, stemmte sich auf die Knie und hustete. Es klang wie das Knistern trockenen Laubs. Wir hatten schon lange kein Wasser mehr.
»Wir halten«, sagte ich. Ich fühlte die Verzögerung. Kalter Schweiß lief zwischen meinen Schulterblättern über meinen Rücken.
»Jemand verfolgt uns.« Angst schlug sich auf Billys Stimme nieder.
»Vielleicht wollen sie ja nur eine Pause machen«, entgegnete Tucker, hörte sich aber wenig hoffnungsvoll an.
»Ember, bring Billy nach hinten«, murmelte Chase.
Mein Platz war an seiner Seite, aber wenn ich mich nicht versteckte, würde Billy es auch nicht tun. Ich griff nach seiner Hand und zog ihn hoch. Als der Truck erneut einen Gang heruntergeschaltet wurde, kauerte ich mich hinter eine Reihe Kisten, und meine Haut kribbelte auf die vertraute Art, die ich seit dem Gefängnis nicht mehr erlebt hatte. Ein Zeichen der Erkenntnis, dass ich schon sehr bald tot sein könnte.
Kurz bevor Billy sich neben mich kniete, hörte ich, wie Chase mit ihm sprach. Ihre Stimmen mischten sich in das Brummen des Motors, und ich konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber bald darauf nickte Billy und gab Chase seine Waffe.
»Keine Angst«, sagte Billy zitternd zu mir, als er neben mir mit dem Schatten verschmolz. »Ich passe auf dich auf.«
Ich starrte Chase’ Rücken an. In meinem Inneren tobte ein zerreißender Schmerz.
Der Truck hielt.
Tucker und Chase positionierten sich zu beiden Seiten der Tür. Es war, als führten sie ein wortloses Zwiegespräch.
Bitte mach, dass wir das überleben, betete ich im Stillen.
Chase lud die Neun-Millimeter durch. Tucker hob eine Flasche über die Schulter.
»Neun bis zwölf«, sagte Chase.
»Klar. Zwölf bis drei«, entgegnete Tucker erbittert. »Ganz wie in der guten alten Zeit.«
»Wovon reden die?«, flüsterte ich, während das Adrenalin in meinem Gehör trommelte.
Die Flasche in Billys Hand klirrte auf dem Metallboden, als er näher heranrückte.
»Chase schaltet jeden aus, der von links kommt, Tucker jeden, der von rechts kommt«, erklärte er mir. »Wallace hat mir das beigebracht. Das ist wie die Ziffern auf einer Uhr.«
Also waren sie wieder Partner. Ich schloss die Augen, lauschte und betete, dass Tucker sein Wort halten würde.
Als jemand an die Seitenwand des Trucks klopfte, hätte ich beinahe geschrien. Billy packte meinen Arm und zog mich wieder runter, aber meine Muskeln bebten vor Anspannung. Wir konnten nicht weglaufen. Wir saßen in der Falle.
Chase. So durften wir nicht enden. Wir brauchten mehr Zeit.
Männliche Stimmen außerhalb des Lasters. Ich spitzte
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