Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
die Ohren, aber die Worte klangen so gedämpft, als würden sie unter Wasser gesprochen.
Jemand klopfte an die Schiebetür auf der Rückseite des Laderaums, wo Chase die Waffe im Anschlag hielt. Tucker drehte sich so, dass er seinem Partner den Rücken zukehrte.
»Ich öffne den Laderaum«, warnte uns Sean von draußen. »Wenn einer von euch mich erschießt, werde ich darüber nicht sehr erfreut sein.«
Ich schluchzte erleichtert auf, hielt mir aber die Hand vor den Mund. Noch waren wir nicht in Sicherheit.
Die Verriegelung der Tür knirschte, als sie geöffnet wurde, ein fluoreszierender Lichtschein fiel auf den Boden des Laderaums, und im nächsten Moment stolperte Sean zurück.
»Netter Empfang«, kommentierte er und hustete, um den schrillen Klang seiner Stimme zu rechtfertigen.
Doch Chase und Tucker ließen die Waffen nicht sinken, denn hinter Sean warteten zwei uniformierte Soldaten; ein Afroamerikaner mit hervortretenden Augen und ein blasser Weißer mit Hakennase, dessen Haar sich schon jetzt deutlich gelichtet hatte. Beide waren Ende zwanzig und gut in Form, und keiner von ihnen griff nach der Feuerwaffe in seinem Gürtel.
»Schau.« Billy zeigte auf das säuberlich gemalte Schild auf der Rückwand eines Gebäudes, das aussah wie eine Druckerei. Eine Heile Familie.
Widerstand.
K APITEL
11
»Das sind die Guten«, versicherte uns Sean.
Langsam senkte Chase die Waffe. Dann sprangen er und Tucker hinaus auf den Betonboden und sahen sich rasch um, ehe wir ihnen folgten.
»Willkommen in Greeneville«, sagte der Dunkelhäutige. »Oder was davon übrig ist. Ich bin Marco, und das ist mein geschätzter Kollege, Polo.«
Ich schnaubte verächtlich, und mir fiel auf, dass sie keine Namensschilder trugen.
Einige der Jungs im Wayland Inn hatten von Greeneville erzählt. Wie in den meisten kleineren US -Städten hatte auch hier die Bevölkerung im Zuge des Krieges stark abgenommen – keine Arbeit. Die Leute hatten ihr Zuhause zugunsten der größeren Städte aufgegeben, wo sie wenigstens Zugang zu Hilfseinrichtungen wie den Suppenküchen hatten.
Als ich mich umsah, stellte ich fest, dass meine erste Einschätzung korrekt war. Man hatte uns über die Laderampe in ein Fabrikgebäude gebracht, in dem monströse silberne Maschinen ruhten und darauf warteten, wieder zum Einsatz zu kommen. Ein schwarzes Gummiband ragte wie eine Zunge aus einem tiefen Loch in einer Maschine auf der linken Seite. Auf ihm lagen in gleichmäßigen Abständen ordentliche Papierstapel, bereit, in die verschieden großen Kisten geladen zu werden, die in der Nähe des Trucks standen.
»Die süße Schwester hat uns erzählt, ihr würdet alle den Tubman-Express zum sicheren Haus nehmen«, berichtete Polo. »Ihr dürft gern die Behaglichkeit unserer Unterkunft nutzen. Nehmt euch eine Flasche köstlichen Wassers von Horizons und fühlt euch wie zu Hause.«
»Was für Gastgeber.« Cara zwinkerte Marco zu, als sie sich an ihm vorbeizwängte und einen kleinen Büroraum betrat, in dem das Wasser gelagert war. Polo pfiff ihr nach und verfolgte sie mit bewundernden Blicken.
»Wie lange dauert es, bis der Schleuser zurückkommt?«, fragte Chase.
Marco ließ die Schultern hängen. »Die haben es eilig, uns zu verlassen, Polo.«
Polo nickte traurig. »Liegt es an mir? Bin ich unsympathisch, Marco?«
»Du riechst ein bisschen …«
»Heute noch?«, hakte Chase nach.
»Oh nein.« Marco schüttelte den Kopf. »Er ist gerade erst weg. Frühestens morgen Vormittag. Außerdem würdet ihr die Rote Zone nicht vor der Sperrzeit schaffen, und das würde den sicheren Tod bedeuten.«
»Wie theatralisch«, tadelte Polo.
Chase und ich wechselten einen Blick; wir hatten einmal versucht, eine Rote Zone zu durchqueren, und wären beinahe verhaftet worden. Hätte Chase nicht so überzeugend geschwindelt, hätten wir es nie geschafft.
Ich trat näher an das Band heran und beugte mich über den nächsten Papierstapel.
»Sieh mal«, flüsterte ich Chase zu. Statutenrundschreiben. Wir waren in einer Druckerei der MM gelandet. Ich musste an die vielen Male denken, an denen ich sie gesehen hatte – in der Schule, in Schaufenstern, sogar an meiner eigenen Haustür, damals, als meine Mutter und ich festgenommen wurden –, und ich überlegte, ob sie wohl von hier gekommen waren.
»Wir bleiben über Nacht?«, erkundigte sich Tucker seufzend.
»Ich kann mich gern auf die Suche nach einem Kissen machen«, erbot sich Marco.
»Ich bleibe nicht über Nacht«,
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