Gesetze der Lust
gehört?“
Bridget klappte die Kinnlade herunter. „Die verrückte Autorin?“
Wesley nickte. Sie starrte ihn einen Moment lang an, bevor sie den Kopf schüttelte und die Autotür aufstieß.
„Mach mit mir Schluss, wenn du willst.“ Sie schnappte sich ihre Handtasche vom Beifahrersitz. „Aber sei wenigstens Manns genug, mir die Wahrheit zu sagen.“
Bridgets Absätze klapperten über den Beton des kurzen Weges von ihrer Auffahrt zu ihrem Haus. Er hörte, wie die Fliegengittertür geöffnet wurde und wieder ins Schloss fiel. Wesleykrabbelte vom Rücksitz auf den Fahrersitz des geräumigen Cadillacs seines Vaters und startete den Motor. Über die Versailles Road fuhr er hinaus zur Farm. Er hasste diese Strecke bei Nacht. Sie war zu lang, zu öde und machte es ihm zu leicht, seine Gedanken an Orte wandern zu lassen, wo sie nicht hingehörten. Das kleine Schloss, das irgendein Spinner vor zwanzig Jahren für seine Frau gebaut hatte, war das einzig Interessante auf diesem Straßenabschnitt. Wes warf einen Blick auf das Anwesen. Ja, es war immer noch da. Er fuhr weiter.
Auf dem ganzen Heimweg schimpfte Wes sich dafür aus, wie unglücklich der Abend verlaufen war. Bridget … sie war toll. Klug, schön, älter. Das gefiel ihm. Ein Jahr und drei Monate mit einer Frau Anfang dreißig zusammenzuwohnen hatte Wesley beinahe allergisch gegen Mädchen seines Alters gemacht – ihre betrunkenen SMS, ihre unerträglichen Posts auf Facebook, ihre Ugg Boots und ihr plumpes Flirten. Nora trug keine Ugg Boots. Oder trieb sich auf Facebook herum. Oder verschickte angetrunken SMS. Sie trug schwarze Lederstiefel mit Riemen und Reißverschluss. Sie fluchte wie ein Seemann, trank wie ein Fisch, kämpfte wie ein Mann – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Er hatte sie einmal boxen sehen, und sie hatte ihren Gegner – einen Federgewichtsboxer namens Bruce – in Runde drei mit einem K. o. auf die Bretter geschickt.
Und Nora flirtete mit niemandem. „Flirten ist für Leute, die es nicht so meinen, Wes“, hatte sie einst zu ihm gesagt. „Ich verführe lieber.“
Verdammt, er hatte gerade mit Bridget Schluss gemacht, und schon dachte er wieder an Nora. Wie immer. Wie jeden einzelnen Tag, seitdem er nach Kentucky zurückgekehrt war. Er hatte seinen Eltern nie von ihr erzählt – nur gesagt, dass er die Farm zu sehr vermisst hatte. Seine Mom hatte es ihm geglaubt. Sein Dad war etwas misstrauischer. Natürlich war er die ersten Wochen, nachdem Nora ihn aus dem Haus geworfen hatte, wie ein Zombie herumgelaufen. Das Semester hatte er wie in Trance beendet, auf der Couch seines Freundes Joe gelegen und in derHoffnung sein Handy angestarrt, dass Nora ihn anrufen und sagen würde, dass sie einen Fehler begangen hatte und ihn wieder bei sich haben wollte.
Aber das Telefon klingelte nicht. Selbst wenn er sie anrief, ging sie nie ran. Und jetzt, dreizehn Monate später, hatte er immer noch kein Wort von ihr gehört. War sie glücklich? Gesund? War sie im Moment bei Søren? Tat der Bastard ihr weh? Bei dem Gedanken an die beiden zog sich Wesleys Herz zusammen. Nur sein Hass auf Søren brannte heißer und stärker als seine immer noch nachklingende Liebe für Nora.
Aber nur unwesentlich.
Wesley bog in die Zufahrt zur Farm ein und hielt an, um den Sicherheitscode einzugeben. Das schmiedeeiserne Tor öffnete sich, und er fuhr hindurch. Er sah auf die Uhr – 23.53 Uhr. Mom und Dad waren schon seit Stunden im Bett, Gott sei Dank. Niemand würde ihn mit Fragen löchern, wenn er für ein paar Minuten ins Haupthaus ging.
Als er auf die kreisförmige Auffahrt fuhr, schaltete er die Scheinwerfer aus. Seitdem er nach Hause zurückgekehrt war, lebte er in dem Gästehaus weiter hinten auf dem Grundstück, doch seine Post wurde ins Haupthaus geliefert. Er hatte sich für die Tulane beworben – die boten ein großartiges medizinisches Vorstudium an –, war sich aber nicht ganz sicher, ob er das Wetter in New Orleans, Louisiana, aushalten würde. Die Sommer in Kentucky waren schon schlimm genug.
Wesley stand im Foyer und schaltete die Lampe am großen Spiegel in der Eingangshalle ein. Er hatte immer noch Schwierigkeiten, sich mit der Person, die ihm daraus entgegenschaute, in Einklang zu bringen. Seit Monaten schob er den dringend benötigten Haarschnitt auf. Als er noch bei Nora gelebt hatte, hatte sie ihn oft aufgezogen, wenn seine Haare zu lang wurden. Einmal hatte er auf der Couch gelegen und gelesen, als er auf einmal ein Gewicht auf
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