Gesetze der Lust
fertig waren.
„Michael wartet draußen auf dich. Du solltest ihm die Lage erklären und ihn nach Hause fahren.“
„Das mache ich“, sagte sie und ging zur Tür. Bevor sie das Büro verließ, hielt sie noch einmal kurz inne und drehte sich herum. „Ich kann nicht glauben, dass ich nur wegen dieser dummen Beförderung den ganzen Sommer ohne dich verbringen muss.“
Søren sagte nichts, aber Nora sah etwas in seinen Augen aufblitzen.
„Es geht doch nur um die Beförderung, oder?“, fragte sie. „Da steckt nichts anderes hinter, richtig?“ Mit einmal wurde Nora von Angst gepackt, der Angst, dass Søren sie aus irgendeinem Grund nicht in seiner Nähe haben wollte.
„Kingsley hat angerufen. Gestern Nacht ist jemand in sein Stadthaus eingebrochen.“
Nora riss die Augen auf.
„Geht es ihm gut? War Juliette da? Was ist passiert?“ Ihr Herz raste, und ihre Gedanken beschworen sofort die schlimmsten Szenarien herauf – dass Kingsley und seine wunderschöne haitianische Sekretärin verletzt worden waren.
„Ihm und Juliette geht es gut. Sie waren letzte Nacht … abgelenkt. Jemand hat die Hunde betäubt und eine Akte aus Kingsleys Büro gestohlen.“
Nora sackte auf einem nahe stehenden Stuhl zusammen. Wer auch immer der Dieb war, er musste Eier aus Stahl haben. Kingsleys Name allein verschreckte normalerweise schon jeden, der sich für die Akten, die er über beinahe jeden Polizisten, Richter, Politiker und Anwalt in der Gegend besaß, interessierte. Undwenn sein Name die Diebe nicht abschreckte, taten es normalerweise seine abgerichteten Rottweiler.
„Nur eine Akte? Das ist ja wenigstens etwas.“
„Eleanor – es war deine Akte.“
„Meine? Wieso meine? Ich bin überhaupt keine Domina mehr.“ Die Worte auszusprechen war schmerzhafter, als sie erwartet hatte. Während ihrer Zeit als Domina in Kingsleys Diensten hatte sie sich ständig über ihren Job beschwert. Nun, wo sie ihn nicht mehr ausübte, vermisste sie ihn irgendwie. Noch etwas für ihre „Dinge, die mir jeden Tag fehlen“-Liste, die langsam gefährlich lang wurde.
„Ich wünschte, ich wüsste es, meine Kleine. Kingsley glaubt, es könnte ein alter Kunde sein, der versucht, alle Beweise, die ihn betreffen, zu vernichten.“
„Das klingt logisch – glaube ich.“ In ihren Tagen als Domina las sich Noras Kundenliste wie das Who’s who der Reichen, Berühmten … und Perversen. Vorstandsmitglieder der wichtigsten Firmen, hochrangige Politiker und Rockstars hatten Unmengen dafür bezahlt, ihr die Stiefelspitze küssen zu dürfen. „Es ist aber auch egal. Wer auch immer es ist, er wird die Akte sowieso nicht lesen können.“
Kingsley und Juliette waren das perfekte Team. Kingsleys Akten waren aus zwei Gründen berüchtigt. Zum einen enthielten sie die Geheimnisse einer ganzen Stadt, und zum anderen waren sie für jeden außer ihn und Juliette vollkommen unlesbar. Nur sie konnte die Aufzeichnungen entziffern, die in verschlüsseltem haitianischem Kreolisch verfasst waren.
„Mich beunruhigt auch eher die Motivation hinter dem Verbrechen als das Verbrechen selber“, sagte Søren. „Noch ein Grund mehr, warum du den Sommer außerhalb der Stadt verbringen solltest, während Kingsley und ich uns darum kümmern.“
„Ich könnte euch dabei helfen, wenn ihr mich lasst. Ich bin nicht mehr fünfzehn, falls dir das entgangen sein sollte.“
Søren stand auf und kam zu ihr. Er nahm ihre Hand, zog sie daran sanft auf die Füße und schaute Nora in die Augen.
„Du bist mein Herz“, sagte er. Diese gleichen Worte hatte er am Morgen zu ihr gesagt. Aber da hatten sie liebevoll und spielerisch geklungen. Jetzt sagte er sie, als wären sie eine anatomische Tatsache. „Ich werde dich nicht verlieren. Ich schicke dich weg, um dich in Sicherheit zu wissen. Verstehst du das? Sag ‚Ja, Sir‘.“
Nora nickte und schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter.
„Ja, Sir.“
Søren neigte den Kopf und küsste sie langsam und innig. Als ihre Lippen sich trennten, legte sie ein Ohr an seine Brust und entspannte sich in seinen Armen. Sie genoss es, das stete Klopfen seines Herzens zu hören. Sie nannte Søren gefährlich, und für Leute, die sich ihm in den Weg stellten, war er das sicherlich auch. Wer immer ihre Akte gestohlen hatte … sie beneidete ihn nicht. Aber Søren war nicht bösartig. Von allen Männern, die sie kannte, hatte er das reinste Herz. Ein starkes und gutes Herz.
„Mein Herz“, flüsterte sie und schaute zu ihm
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