Gesetze der Lust
Lächeln hielt sich noch lange, nachdem sie aufgelegt hatte, auf ihren Lippen. Um ungefähr zehn Uhr abends erreichte sie die Sacred Heart. In der Kirche brannten noch ein paar Lichter und ließen die Buntglasfenster sanft in der Dunkelheit glühen. Wie wunderschön diese Kirche bei Nacht aussah … wie friedvoll, wie heilig. Suzanne glaubte immer noch nicht richtig an Gott. Nichts würde sie jemals davon überzeugen, dass irgendein Mann im Himmel die Show hier unten auf Erden leitete. Aber zum ersten Mal fing sie an, an einen seiner Angestellten zu glauben.
Sie betrat die Kirche, die jedoch leer war. Sicher würde Søren bald zurückkommen, um die Lichter auszumachen und abzuschließen … in ihren Gedanken war er auf einmal wieder zu Søren geworden. Doch obwohl sie seinen Namen kannte, von seinen Geheimnissen wusste, fühlte sie sich nicht berechtigt, ihn bei dem Namen zu nennen, den nur seine intimsten Vertrauten benutzten.
„Father Stearns …“, flüsterte sie, den Blick auf den Altar gerichtet. Sie würde ihn niemals wieder Søren nennen. Sie schaute sich um und sah eine kleine Treppe, die zum Chor führte. Langsamerklomm sie die schmalen Stufen, stellte sich oben an die Brüstung und ließ ihren Blick durch die Kirche schweifen.
Sanktuarium. Zufluchtsstätte. In früheren Zeiten hatten Kriminelle und Ausreißer hier Zuflucht gesucht. Die Kirche war heiliger, geweihter Boden und ein Ort echter Macht, mit der die Obrigkeiten sich damals nicht anlegten. Zum ersten Mal seit ihrer Kindheit fühlte Suzanne sich in einer Kirche und mit einem Priester sicher. Sie hatte immer gedacht, die einzige Rettung für die kranken Auswüchse der Religion wäre ihre vollkommene Zerstörung. Deshalb fand sie Freude daran, Denis Diderot zu zitieren: „Die Menschheit wird erst frei sein, wenn der letzte König mit den Eingeweiden des letzten Priesters stranguliert worden ist.“ Bei ihren Nachforschungen hatte sie jedoch sowohl einen König als auch einen Priester kennengelernt und musste zugeben, dass sie vielleicht nicht die Welt veränderten, sie aber definitiv interessanter machten.
Sie hörte, dass unter ihr eine Tür geöffnet wurde. Father Stearns ging mit großen Schritten über den Mittelgang zum Altar. Einen Moment lang schaute sie ihn nur an und lächelte, als er sich bekreuzigte, sich neben einer Bank kurz elegant verbeugte und sich dann zum Gebet hinsetzte. In seinen Händen hielt er den Rosenkranz, und sie fragte sich, wofür er wohl gerade betete. Sie wollte ihm eben einen Gruß zurufen, da hörte sie, dass die Tür erneut geöffnet wurde.
„Søren!“ Die wütende Stimme eines Mannes hallte durch das Kirchenschiff. Suzanne trat einen Schritt von der Brüstung zurück und versteckte sich im Schatten. Father Stearns stand auf und drehte sich um.
„Griffin … wie schön, dich in meiner Kirche zu sehen.“
Suzanne holte erschrocken Luft. Das Gesicht des Mannes konnte sie nicht erkennen, aber von seinem muskulösen Körperbau und den Fotos, die sie gesehen hatte, zu schließen, musste es sich um Griffin Fiske handeln, den Sohn des Vorsitzenden der New Yorker Börse.
Was zum Teufel …
„Lass es.“ Griffins Stimme zitterte vor Zorn. „Bei mir kannst du dir deine Psychospielchen sparen. Du weißt, warum ich hier bin.“
„Da muss ich dich enttäuschen, das tue ich nicht.“ Father Stearns stand mitten im Gang und schenkte Griffin ein gelassenes Lächeln. „Aber wir können gerne über alles reden.“
„Dann lass uns darüber reden, dass mein Liebesleben dich einen Scheißdreck angeht. Lass uns darüber reden, was für ein arrogantes, überhebliches Arschloch du bist, wenn du glaubst, du könntest mir oder sonst jemandem vorschreiben, mit wem er zusammen sein darf und mit wem nicht.“
„Eleanor mag dich sehr gerne, Griffin. Ich verstehe aber immer noch nicht, warum.“
Griffin trat einen bedrohlichen Schritt näher.
„Vielleicht weil ich, anders als du, nicht versuche, jeden ihrer Schritte zu kontrollieren.“
„Ja, Eleanor wird fürchterlich unterdrückt, nicht wahr?“ Father Stearns’ Stimme triefte vor Sarkasmus. „Eleanor benimmt sich wie ein Kind, weil sie voller kindlicher Freude steckt. Du bist einfach nur ein verwöhntes Kind, das noch nie in seinem Leben eine echte Beziehung hatte. Ich habe beobachtet, wie du wieder und wieder Menschen benutzt und weggeworfen hast. Wenn du auch nur einen Moment glaubst, ich würde zulassen, dass du das mit jemandem tust, den ich liebe
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