Gesetze der Lust
theatralisches Stöhnen aus.
„Jeden Tag meines Lebens.“
Lachend drehte Suzanne sich um und schaute ihn an. Er hielt einen kleinen, aber ausgesuchten Strauß weißer Rosen in der Hand.
„Für mich?“, neckte sie.
„Nein.“ Das leichte Lächeln verschwand, und er bedachte sie mit einem Blick tiefsten Mitgefühls. „Für Adam. Ich denke, es ist an der Zeit, dass Sie das Grab Ihres Bruders besuchen.“
Suzanne verstummte. Ihr Hals wurde eng. Tränen wallten in ihren Augen auf.
„Ich werde Sie begleiten. Sie sind nicht allein.“ Father Stearns reichte ihr die Blumen. Suzanne drückte sie an ihre Brust.
„Okay“, flüsterte sie. Sie schaute zu ihm auf und versuchte, durch ihre Tränen hindurch zu lächeln. „Sein Grab ist …“
„Ich weiß, wo es ist, ich weiß, wo er begraben liegt. Wir treffen uns dort.“
Suzanne konnte nicht einmal Danke sagen. Sie ging einfach nur zu ihrem Auto und fuhr zum Stadtfriedhof, wo die Familie ihren Bruder zur letzten Ruhe gebettet hatte. Öffentlicher Grund und Boden. Ungeweihte Erde. Als sie das Grab erreichte, stand Father Stearns bereits dort, den Kopf mit den hellblonden Haaren zum Gebet geneigt.
„Ich hasse die Kirche immer noch dafür, dass sie ihm ein katholisches Begräbnis verweigert hat“, gestand Suzanne ihm. Sie kniete sich hin, legte die Blumen auf das Grab und zupfte ein wenig Unkraut um den Grabstein.
Adam Gabriel Kanter. Geboren am 3. Juli 1978, gestorben am 1. November 2006. Gott hat ihm Ruhe gegeben vor all seinen Feinden. 2. Buch Samuel 7.1
„Das kann ich Ihnen nicht verdenken“, sagte Father Stearns. „Aber ich kann Ihnen helfen.“
Suzanne schaute auf und sah, dass Father Stearns ein Gefäß mit Wasser aus seiner Tasche zog. Er öffnete es und versprengte das Wasser über der Erde.
Weihwasser.
Suzanne fügte dem heiligen Wasser, das zu Boden regnete, ihre eigenen Tränen hinzu.
„Sie werden für ihn beten, oder?“, fragte sie. „Ich kann das nicht. Ich kann nicht stark genug glauben, um zu beten. Aber es würde mir viel bedeuten, wenn Sie es täten.“
„Ich werde für ihn und für Sie beten, Suzanne. Und zwar jeden Tag.“
„Ich werde Sie nie wiedersehen, oder?“
Father Stearns lächelte nicht.
„Ich denke, unsere Wege mussten sich kreuzen. Und vielleicht ist es besser, wenn sie das nicht noch einmal tun. Zumindest nicht in diesem Leben.“
Suzanne verstand den Hinweis.
„Danke … danke für alles. Für Adam. Dafür, dass Sie ein guter Priester sind, ein guter Mensch.“
„Ich bin so menschlich und fehlbar wie jeder andere. Aber danke. Ihr Glaube an mich ist ermutigend. Vielleicht werden Sie eines Tages auch Ihren Glauben an Ihn wiederfinden.“
„Vielleicht“, sagte sie. „Aber warten Sie lieber nicht drauf.“
Father Stearns nickte. Er streckte eine Hand aus und streichelte Suzannes Wange.
„Adieu, Suzanne. Wenn Sie mich jemals wirklich brauchen, wissen Sie, wo Sie mich finden können.“
„Kriegsgebiete“, erinnerte sie ihn mit einem Lächeln. „Ich kann auf mich selbst aufpassen.“
Seine Finger streiften ihre Lippen wie ein sanfter Kuss.
„Ich weiß, dass Sie das können.“Er ließ seine Hand sinken und machte sich auf den Weg. Suzanne sah, dass am Eingang des Friedhofs ein Rolls-Royce wartete.
„Ihr Treuhandvermögen“, rief Suzanne ihm hinterher, als ihr noch eine letzte Frage einfiel. „Nora Sutherlin sagte, Sie hätten es komplett verschenkt. An wen?“
Father Stearns ging weiter.
„Ein Rolls-Royce kauft sich nicht von alleine, oder, Suzanne?“ Er blieb stehen, drehte sich um, zwinkerte ihr zu und setzte seinen Weg dann fort.
Das Zwinkern kam ihr so vertraut vor. Nora Sutherlin hatte ihr eben genauso zugezwinkert.
Genau. So.
Und Suzanne erkannte, dass man sie hereingelegt hatte.
Sie starrte ihm hinterher, dem katholischen Priester, der ganz alleine die verdorbenen Menschen in New Yorks Untergrund finanzierte. Die Geschichte des Jahrhunderts ging weiter und lief davon. Mit einem Anruf könnte sie ihn ruinieren, könnte die Diözese ruinieren, noch mehr Schmach und Schande über die katholische Kirche bringen als alle schrecklichen, aber nicht so heißen Sexskandale zusammen.
„Nora Sutherlin …“, seufzte sie, während sie zusah, wie der Liebhaber der Erotikautorin in den Fond des Rolls einstieg. „Du verdammte glückliche Schlampe.“
Suzanne drehte sich zu Adams Grab um und lächelte.
„Ich vermisse dich, großer Bruder“, sagte sie. Sie küsste ihre Fingerspitzen und
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