Gesetze der Lust
hinweg an.
„Eleanor bedenkt mich mit allen Namen, die ihr gerade einfallen“, sagte er, und sie lachten beide. „Aber meistens nennt sie mich Søren. Sie sagt, der Name wäre angemessen überheblich.“
„Ich kann nicht glauben, dass sie so etwas zu dir sagte. Ehrlich, ich habe hochrangige Generäle getroffen, die dir in Sachen Einschüchterung nicht ansatzweise das Wasser reichen können.“
„Eleanor ist eine furchtlose Frau. Schon immer gewesen.“
„Du sprichst sehr liebevoll von ihr. Erzähl mir nicht, dass ihr euch nicht nahesteht.“
„Wir stehen uns nahe. Sie hatte mit fünfzehn Jahren einen hässlichen Zusammenstoß mit dem Gesetz. Der Richter hat mir aufgetragen, das Ableisten ihrer Sozialstunden zu überwachen. Ihre Eltern wollten danach nicht mehr viel mit ihr zu tun haben. Man könnte also sagen, ich bin zu ihrem Vater geworden.“
„Bist du stolz darauf, wie sie sich entwickelt hat?“, fragte Suzanne und war sich der Antwort ziemlich sicher. Erotikautorin, Domina … ein rundherum böses Mädchen.
„Ich könnte nicht stolzer sein. Ihre Lebensfreude, ihre Intelligenz, ihre Stärke … wir sollten alle so werden wie sie, das ist meine ehrliche Meinung.“
„Ihre Stärke?“ Suzanne hatte Bilder von Nora Sutherlin gesehen – sie war eine eher schmächtige Person.
„So stark, dass selbst ich in ihrer Gegenwart Schwäche zeigen kann.“
Suzanne grinste.
„Du und Schwäche? Das würde ich gerne mal sehen.“
Søren bedachte sie mit dem kältesten und härtesten Blick, den sie je gesehen hatte. Das Blut gefror ihr in den Adern, ihre Hände wurden taub, ihr Herz schlug bedenklich schnell.
„Ich versichere dir“, sagte er bedrohlich, „das willst du nicht.“
Suzanne wollte zusammenzucken, sich verstecken, weglaufen … doch irgendetwas fesselte sie, hielt sie davon ab fortzulaufen. Ja, er schüchterte sie über alle Maßen ein. Aber hinter der Mauer, die Father Stearns umgab, hinter diesem makellos weißen Kollar war ein anderer Mensch verborgen. Sie musste ihn sehen, musste ihn kennenlernen.
„Erzähl mir mehr von Eleanor“, bat sie. Intuitiv wusste sie, dass sie damit auch etwas über den wahren Søren erfahren würde. „Keine Geheimnisse, nichts Persönliches. Einfach von ihr. Wie ist sie so?“
„Wie ist Eleanor so?“ Bei der Frage musste er beinahe lachen. „Du könntest mich genauso gut fragen, wie Gott so ist. Sie ist nicht Gott, aber sie ist mindestens genauso schwer zu erklären. Ich könnte die ganze Nacht über sie reden.“
Suzanne lehnte sich in ihrem Sessel zurück und musterte ihn … seine aristokratische Nase, den starken, maskulinen Kiefer, diese verführerisch geformten Lippen. Ihr Blick glitt zu seinen Händen. Die Hände eines Pianisten, elegant, beweglich, präzise. Wie würden sie sich auf ihrer Haut anfühlen … in ihr? Sie wollte ihn schwach sehen. Sie wollte ihn auf alle nur erdenklichen Arten sehen.
„Ich habe immer noch Zeit.“Vor dem Sin Tax nahm Nora sich ein Taxi und gab dem Fahrer eine Adresse in Manhattan an.
„Sind Sie sicher?“, fragte der. „Das ist nicht …“
„Fahren Sie einfach“, befahl Nora, und der Fahrer hielt den Mund. Wenige Minuten später fuhren sie vor einem dreistöckigen, schwarzweiß gemauerten Stadthaus vor. Nora warf ein paar Scheine nach vorne und stieg ohne ein Wort aus. Sie rannte die Vordertreppe hinauf, öffnete die Tür und stürmte hinein. Sofort stellten sich ihr vier Rottweiler in den Weg. „Pst … Sitz, Jungs.“
Alle vier Hunde wimmerten und setzten sich auf ihr Kommando hin. Normalerweise nahm sie sich die Zeit, mit ihnen zu spielen. Doch heute nicht. Heute rannte Nora die Treppen zum zweiten Stock hinauf und den Flur hinunter. Am Ende des Flures öffnete sie die Tür zu Kingsleys privatem Büro.
Akten … sie brauchte Akten. Nora ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen. So viele Aktenschränke. Sie wusste gar nicht, wo sie anfangen sollte.
Sie öffnete die oberste Schublade des ersten Schranks und fand Reihen von Akten, die alle ordentlich beschriftet waren – Nachname, Vorname und eine Nummer. Im dritten Schrank in der zweiten Schublade von unten fand sie Railey, Wesley (John), 1312 . Nora nahm sie heraus und schlug sie auf.
„Verdammter Mist.“ Sie schloss die Akte, drückte die Schublade energisch zu und lehnte sich gegen den schweren Schrank aus Ebenholz. Sie hatte vergessen, dass Kingsley alle seine Akten verschlüsselte. Nein, korrigierte sie sich, Kingsley und Juliette
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